Hohe Kunst

Im leeren Swisscom-Hochhaus in Bern finden diverse ­Zwischennutzungsevents statt. Einer davon stammt von der Architektin Daisy Jacobs. Mit Performances und einem ­Pavillon lotet sie die Beziehung zwischen Mensch und Raum aus und rückt das Hochhaus dabei in ein neues Licht.
Die Enge des Technikraums, die unmenschliche Höhe des Hochregallagers oder die endlose Weite auf dem Dach: Die Gefühle beim Begehen des denkmalgeschützten Hochhauses waren so unterschiedlich wie die Räume selbst. Ihre eigenen Eindrücke und Erlebnisse waren der Ausgangspunkt von Daisy Jacobs für ihre Kunstarbeit. Das Resultat ist ein Film, in dem vier Ebenen des Hochhauses zu sehen sind. In diesen sieht man die Architektin, die sich je nach Raum mal streckt, mal duckt, mal liegt. «Ich möchte damit die verschiedenen Qualitäten der Räume und das Verhältnis zwischen Mensch und Raum thematisieren», erklärt Jacobs. Die Performance führte sie im Februar durch, filmte sie und setzte die Ebenen zu Bildern zusammen (oben). «Es sieht aus wie eine Stapelung von vier Räumen, wie ein Querschnitt durchs Hochhaus», begründet die Architektin. An der Ausstellung vom 6. bis zum 13. Oktober war einerseits dieser Film zu sehen, und andererseits überraschte Jacobs die Vernissagenbesucher mit einer neuen Performance. Dabei verarbeitete sie einen schön drapierten Haufen Lehm allein mit ihrem Körper zu einer kreisrunden Fläche; ein kontemplativer, faszinierender Prozess, der den Betrachter zu allerlei Gedanken anregte. Zum Beispiel darüber, wie viel Raum ein Mensch sich nehmen kann, wie Kreis und Raum sich zueinander verhalten, wie sinnlich ein Baumaterial sein kann und, und, und …
Neben diesen Kunstaktionen baute Daisy Jacobs einen Pavillon im Aussenraum (S. 68). «Auf dem unwirtlichen grossen ­Vorplatz mit den angrenzenden unschönen Plattenbauten fühlt man sich ziemlich verloren», beschreibt Jacobs ihren Ausgangspunkt. Der ­Pavillon – eine mit Wellblech verkleidete Holzkonstruktion – mit seinen engen ­Gängen, diversen Ausblicken und ­Ebenen soll den ­Besuchern ein Gefühl von Schutz sowie Intimität geben und zum Erforschen des Raums einladen.
Die Bespielung des Swisscom-Hochhauses sei für sie ein riesiger Glücksfall gewesen, betont die Zürcherin, die heute in Bern wohnt. Denn auf der Suche nach leeren Räumen für Kunstaktionen kommt sie oftmals gar nicht infrage, weil sie Architektin und nicht Künstlerin ist. Dass die Verantwortlichen des Zwischennutzungsprojekts offen und sogar begeistert waren von Daisy Jacobs Kunstaktion, hat diese mehr als gefreut. Bestimmt hätte sich auch das leere Hochhaus darüber gefreut – falls dies denn möglich wäre –, temporär mit Kunst belebt worden zu sein …
hochhaus.be, daisyjacobs.ch

Wort
Katrin Ambühl

Bild
Daisy Jacobs

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