Wort und Bild: Irène Münger
Cécile Feilchenfeldt entwickelt Strickkreationen für grosse Modehäuser wie Dior, Louis Vuitton und Balmain. Wir haben die Schweizerin in ihrem Studio in Paris besucht und mit ihr über ihre neusten Projekte, glückliche Zufälle beim Entwerfen an der Maschine sowie die Vielfalt des Stricks gesprochen.
Cécile Feilchenfeldt, unter Ihrem eigenen Label «Cécile Feilchenfeldt Knitwear Studio» kreieren und produzieren Sie Strickgewebe. Welche Projekte beschäftigen Sie zurzeit?
Die Fashion Week in Paris ist vor Kurzem zu Ende gegangen. Im Vorfeld haben wir jeweils eine sehr arbeitsintensive Zeit, weil wir alle Teile rechtzeitig bis zu den Shows fertigstellen müssen. Diese Saison haben wir für Louis Vuitton enorm viel umgesetzt. Mit Nicolas Ghesquière, dem Creative Director, arbeiten wir schon länger zusammen. Er hat aktuell sein 10-Jahr-Jubiläum beim Pariser Luxusbrand. Die aktuelle Kollektion ist eine Art Zusammenfassung seiner «Best Of Pieces» der letzten zehn Jahre mit Schwerpunkt auf die ausserordentlichen, kreativen und speziellen Showteile. Dabei war unsere Arbeit sehr relevant, wir haben dreissig Looks hergestellt.
Was genau ist die Eigenheit Ihres Studios? Weshalb arbeiten Firmen wie Louis Vuitton, Balmain oder Balenciaga mit Ihnen zusammen?
Unser Strick ist innovativ und experimentell. Oft wird er von Laien gar nicht als solcher wahrgenommen. Auch für einen professionellen Stricker sind meine Kreationen ungewöhnlich. Ich selbst bezeichne sie als «Artisanal Knits». Sie werden auf unseren mechanischen Handstrickmaschinen entwickelt und können nicht industriell hergestellt werden. Wir arbeiten analog und langsam, gestalten jede einzelne Linie von Hand. Die Maschine benutze ich zur Umsetzung meiner Ideen und lasse mich nicht von ihr dominieren. Oft ergeben sich Entwürfe aus Zufällen, die uns inspirieren. Wir versuchen diese dann technisch weiterzuentwickeln und verbindlich festzulegen, um daraus ein Rezept zu etablieren, das auf einer ganzen Fläche anwendbar ist. Oft experimentiere ich mit Zutaten, die sich nicht offensichtlich zur Strickverarbeitung eignen. So entstehen neuartige, unkonventionelle Strukturen und Oberflächen. Hinzu kommt, dass wir das Garn, die Fäden oder die Elemente, die wir verstricken, im Voraus bearbeiten. Diese Vorarbeit wie auch die Weiterverarbeitung nach dem Stricken ist sehr zeitintensiv, oftmals mehr als das Stricken selbst.
Lassen Sie sich durch modische Trends stark beeinflussen?
Ich sehe mich selbst eher als Material-, Struktur- und Oberflächendesignerin und als wissenschaftliche Entdeckerin denn als Textildesignerin. Ich kümmere mich nicht gross um das Modegeschehen und arbeite komplett losgelöst von Modetrends und -bedürfnissen. Das gibt mir eine grosse innere Freiheit und lässt mir Raum für eigene Ideen und Experimente.
Können Sie sich vorstellen, sich mit anderen Materialien oder Gestaltungsmedien genauso vertieft auseinanderzusetzen, wie Sie es mit Strick tun?
Ich bin ein konzeptuell denkender Mensch. Meine Arbeit verorte ich als intellektuell, verbunden mit viel Emotion und Lust. Trotzdem sind meine Leidenschaft und meine Kreativität stark an die Faszination für das Handwerk geknüpft. Mich interessiert das haptische, das analoge Produkt. Es macht mich glücklich, an meiner Strickmaschine zu sitzen und meinen Ideen freien Lauf zu lassen. Bis auf den heutigen Tag vereint das Arbeiten mit Strick alles, was mich begeistert. Die vielseitige Materialität finde ich wahnsinnig spannend. Was mir zudem daran gefällt, ist, dass ich mich intensiv mit einem Material beschäftige, das kein finales Produkt darstellt. Es muss von jemandem weiterverarbeitet werden, um ein Endprodukt zu werden. Das empfinde ich immer wieder als sehr befreiend.
Sie engagieren sich zudem im Bereich Materialforschung.
Ja, neben meiner Arbeit in der Haute Couture arbeite ich mit Start-ups zusammen, welche sich mit Nachhaltigkeit und all den verrückten, aber vielversprechenden Fasern beschäftigen, die nicht so vehement unseren Planeten zerstören wie diejenigen, die wir bis anhin verwendet haben. Ich mag es, mit anderen Spezialistinnen und Spezialisten zusammenzuarbeiten und mich mit ihnen auszutauschen. Es gefällt mir, in diese Vielfalt an verschiedenen, spannenden Projekten einzutauchen.
Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie müssten auf Dinge verzichten, weil Ihre Arbeit Sie zeitlich sehr stark einnimmt?
Das empfinde ich nicht so. Ich sage jeweils: «Ich bin kein Opfer der Work-Life-Balance». Mein Arbeitsalltag erfüllt mich und gleicht mich aus. Dazu brauche ich weder Yoga noch sonstige sportliche Aktivitäten. Diese langweilen mich nur. Das klingt nach Workaholic, aber ich geniesse meine Arbeit und mein jetziges Leben in Paris sehr bewusst und freue mich darüber, dass ich geschafft habe, was ich immer wollte. Unabhängig zu sein und mein eigenes Ding zu machen.
Was ist Ihre Vision für die Zukunft?
Die Grösse meines Unternehmens bildet sich organisch, ich passe sie den Bedürfnissen an. Vor Kurzem habe ich einen Schritt zur Vergrösserung meines Studios gemacht. Ich konnte einen weiteren Raum dazu mieten, mein Team besteht nun aus zwei Angestellten, drei Praktikantinnen und mehreren Freelancerinnen. Jetzt sind wir richtig gut aufgestellt. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass sich diese Leute wohlfühlen und Lust haben, Verantwortung zu übernehmen. Das gibt mir wiederum die Freiheit zum Experimentieren und weitere Projekte anzunehmen, die mich interessieren.