«Ich habe immer persönlich vorgesprochen»

Eric Giroud ist einer der renommiertesten Uhrendesigner der Gegenwart. Doch sein Name prangt nicht auf jeder Uhr, die er entworfen hat, denn die Industrie ist diskret und will keine Superstars.

Eric Giroud, wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Ich habe nicht immer als Uhrendesigner gearbeitet. Ursprünglich war ich Architekt. Bis 1991 arbeitete ich mit wenig Enthusiasmus auf diesem Beruf. Wegen des Golfkriegs war die Wirtschaftslage schlecht. Ich nahm eine Auszeit, machte Reisen und landete nach verschiedenen Praktika bei Grafikateliers, der Mode und der Fotografie sowie bei einem Designbüro, wo ich mich um Verpackungen kümmerte.

Damit waren Sie aber noch nicht bei den Uhren…
Nein, dorthin kam ich per Zufall. 1999 verliebte ich mich in eine Frau, und das war die Nichte von Jack Heuer. Dieser stellte mich Franz Linder vor, dem damaligen Chef von Mido. Ich bekam Aufträge von Mido und träumte von Tissot, in deren Gebäude in Le Locle sich Mido befand. Irgendwann lernte ich den CEO von Tissot kennen und bekam auch von ihm Aufträge. Beim Designbüro hatte ich inzwischen gekündigt.

Die Swatch Group war sozusagen die Wiege Ihrer heutigen Tätigkeit?
Das ist tatsächlich so. Ich habe auch kurz für Swatch selbst gearbeitet, als Nick Hayek dort noch stärker involviert war.

Doch dann kamen prestigeträchtigere Marken…
Ja, die Jobs für die Swatch Group führten mich an die Basler Uhren- und Schmuckmesse, die damals noch nicht Baselworld hiess. Hier lernte ich Menschen und Marken kennen, deren Uhren für meine Begriffe astronomische Summen kosteten.

Sie haben dann für Harry Winston gearbeitet.
Ja, der Uhrmacher Peter Speake-Marin hatte mich Max Büsser vorgestellt, dem damaligen CEO von Harry Winston. Er hatte verrückte Ideen, und das gefiel mir ausserordentlich. Teure, komplizierte Uhren bedeuten auch für den Designer mehr Arbeit.

Inwiefern?
Bei einer günstigen Uhr werde ich dafür bezahlt, eine Idee, beispielsweise für ein Zifferblatt, zu skizzieren. Wenn ich die abgegeben habe, müssen sich die Techniker darum kümmern, dies in die Realität umzusetzen. Bei einer komplizierten Uhr begleite ich das Projekt von der Idee bis zum fertigen Prototyp. Änderungen von Details sind an der Tagesordnung. Ausserdem geht das Design viel tiefer, indem es auch Dinge wie das Uhrwerk, das Band oder die Schnalle betrifft.

Ist Ihre Herangehensweise anders als diejenige eines Industrial Designers, der Generalist ist?
Ich denke, wir Designer haben alle Bereiche, in denen wir uns besonders wohl fühlen. Ich glaube nicht, dass ein Spezialist auf seinem Gebiet die besseren Ideen hat. Aber bei Uhren habe ich ganz klar den Vorteil, dass ich sämtliche Bedingungen, wie Produktionsprozesse, die verwendeten Uhrwerke etc. bestens kenne. Das spart eine Menge Zeit. Ich habe kürzlich eine Brille designt, ein persönliches Projekt. Das hat mir aufgezeigt, wie tief ich in den Uhren bin und wie wenig Ahnung ich von anderen Gebieten habe.

Haben Sie auch mal eine Blockade?
Ja klar, das kommt vor. Dann muss ich an etwas anderem arbeiten, oder aber dem Auftraggeber die unfertigen Skizzen zeigen. Dann kommt mit Garantie ein Input, der mir einen Impuls in die richtige Richtung gibt.

Was raten Sie jungen Menschen, die Ihren Weg einschlagen möchten?
Seid euch im Klaren, dass viel Arbeit auf euch zukommt und ihr nicht berühmt werdet. In der Uhrenindustrie läuft viel über Beziehungen und Networking. Umgangsformen und Sprachgewandtheit sind fast wichtiger als gute Noten in der Ausbildung. Um mich um einen Auftrag zu bewerben, habe ich immer persönlich vorgesprochen, mit meinem Portfolio unter dem Arm.

Wo kann man sich für Uhrendesign ausbilden lassen?
Es gibt Kurse an der Genfer HEAD, an der Lausanner ECAL, an der Schule für Gestaltung in La Chaux-de-Fonds und in Zürich. Seit ich den Einstieg fand, hat sich viel verändert, aber um in der Uhrenindustrie Fuss zu fassen, muss man nach wie vor darin aufgehen. Und man darf sich nicht von den Preisen mancher Uhren blenden lassen. In dieser Branche als Designer reich zu werden, ist eine Illusion.

Der freischaffende Journalist und Uhrenexperte Timm Delfs traf den Uhrendesigner zum Gespräch.

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