Vom Weinlager zum Wohnhaus

In einem Walliser Tal verwandelte der Westschweizer Architekt Ralph Germann eine geschichtsträchtige Scheune in ein zeitgemässes, lichtdurchflutetes Wohnobjekt.

«Als ich die alte Scheune zum ersten Mal besuchte, war ich auf den ersten Blick begeistert vom Charme und von der Atmosphäre, die sie ausstrahlt», erzählt der Westschweizer Architekt Ralph Germann zu Beginn. Er schätzte die massive, mineralische Gebäudehülle mit den rauen Wänden und Fensterschlitzen, durch die das Sonnenlicht ins Innere dringt, sowie die unberührte Struktur des ursprünglichen Tragwerks samt den Dachziegeln, die noch auf ihrer originalen Lattung liegen. Allesamt Elemente, die sowohl der Architekt als auch die Bauherrschaft beibehalten wollten. Eines der wichtigsten Anliegen der Eigentümer war es, die Geschichte des Ortes zu bewahren, denn die Scheune ist seit ihrem Baujahr 1854 noch immer in Familienbesitz. Sie besteht aus zwei Gebäudeteilen: einem Haupthaus aus Stein und einem 1950 errichteten Anbau aus Holz. Über die Jahre hat sich die Nutzung der Scheune mit dem wirtschaftlichen Wandel verändert: vom Viehstall über ein Getreide- und Weinlager bis hin zum Schuppen für diverse Maschinen und Fahrzeuge – und schliesslich zum Wohnobjekt. «Die Eigentümer und ich waren uns von Anfang an einig darüber, dass mit einer gewöhnlichen Sanierung wertvolle Teile der historischen Bausubstanz verloren gehen würden», sagt Germann. Also erarbeiteten sie gemeinsam eine unkonventionelle Lösung, um das Gebäude bewohnbar zu machen.

Die richtige Balance
Germann ging die Planung des Umbaus äusserst vorsichtig an. «Es war eine lange und akribische Entwicklungsarbeit», fügt der Westschweizer an. Einerseits sollte das bestehende Gebäude seinen einzigartigen Charme nicht verlieren, andererseits das Resultat nicht zu rustikal wirken. Die neuen Räumlichkeiten sollten die schnörkellose, funktionale Optik und Gliederung der Scheune aufnehmen, in der jedes Detail und jedes Element eine bestimmte Funktion hatte. «Im Dialog mit der Bauherrschaft kam relativ früh der Begriff Transparenz auf», erzählt der Architekt. Daraus entwickelte sich schliesslich die Idee eines Holzkubus mit vielen Glasflächen, der den bestehenden Holzanbau im Gebäudeinnern erweitern sollte. Der Holzbau wurde umfangreich saniert und à jour gebracht: «Das Dach wurde erneuert, da es nicht wasserdicht war. Und die Fassade wurde isoliert und neu mit Lärchenholz verkleidet», erklärt der Architekt. Obwohl die Eingriffe das äussere Erscheinungsbild der Scheune massiv veränderten, besteht nach wie vor eine Verbindung zum ursprünglichen Bau: Der Materialkontrast der mineralischen Hülle des Haupthauses mit dem Holz des Anbaus besteht nach wie vor, und der Haupteingang befindet sich an derselben Stelle wie früher. Durch eine Eingangstür aus Glas gelangt man ins Erdgeschoss des Holzbaus. Mittig platziert befinden sich zwei grosse Garderobenschränke, auf der linken Seite gibts ein Badezimmer mit grosszügigem Waschplatz, und am Ende des Raums führt eine Betontreppe hinauf zum Obergeschoss, wo sich der Wohnraum befindet. Geht man die Treppe hoch – an der mineralischen Gebäudehülle mit den vielen Wandöffnungen entlang –, erblickt man schon bald eine riesige Glasfront. Am Ende der Treppe angekommen, kann man entweder direkt auf die Terrasse gehen oder aber in die Wohnung eintreten.

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Wort
Nuria Peón

Bild
Lionel Henriod

Ralph Germann
Der Westschweizer Architekt gründete 2002 sein eigenes Architekturstudio in Martigny. Seine Projekte – die sich sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland befinden – zeichnen sich durch einen zeitgemässen und zugleich regionalen Charakter aus.
ralphgermann.ch

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