Polyglott und polychrom

Die in Paris lebende Innenarchitektin und Designerin India Mahdavi ist bekannt für ihre nonkonformen und cineastischen Interieurs wie das Ladurée Genf oder das Kadewe Berlin. Mahdavi verwendet einfache, aber edle Materialien wie Lack, Keramik, Rattan und Samt. Wir trafen die Farb-Virtuosin in ihrem Studio in Paris, wo sie über ihren Bezug zu Farben, ihre Kreativität und das Ausloten von Grenzen sprach.

Bild: Mattia Lotti

India Mahdavi, Ihre polychromen und verspielten Interiors erinnern an eine kindliche Traumwelt. Welche Farbpalette widerspiegelt Ihre Kindheit?
Ich bin in Cambridge Massachusetts aufgewachsen, obwohl ich in Teheran geboren wurde. Meine ersten Erinnerungen sind die Jahre in den USA. Da gab es eine neue, grosse Sache – das Farbfernsehen. Das Programm begann früh am Morgen und ich erinnere mich, dass wir uns vor dem Kindergarten all die neuen Cartoons ansahen: Tex Avery, Mickey Mouse, Bugs Bunny. Es war Mitte der 1960er-Jahre in den USA, diese starken Technicolor-Farben waren allgegenwärtig. In den Magazinen, auf der Strasse – alles war bunt und verspielt. Eine superstarke, flache, polychrome Farbpalette. Sehr cartoonhaft!

Sie werden als Königin der Farbe bezeichnet. Viele Ihrer Farben, Formen und Materialien zeigen eine feminine Sichtweise. Ist dieser Ansatz in der Innenarchitektur heute stärker gefragt als noch vor zehn Jahren?
Ich habe heute viele Frauen als Kundinnen, was früher nicht der Fall war. Ich bin eine Frau und ich tue, was ich für richtig halte. Andere Frauen erkennen sich in diesem Umfeld wieder. Sie kommen zu mir, weil sie eine weiche, fröhliche und farbenfrohe Atmosphäre mögen.

Bild: Calypso Mahieu

Die Gestaltung Ihrer Innenräume ist nicht nur farbenfroh und verspielt. Die Räume haben auch etwas Unheimliches, Wundersames und Psychodelisches an sich. Alice im Wunderland kommt mir in den Sinn, oder Filme von Wes Anderson und Sofia Coppola, die alle eine geheimnisvolle, mehrdeutige Seite haben. Mögen Sie es, Grenzen in diesem Bereich auszuloten?
Absolut. Das Schöne an den Räumen ist, dass sie auf verschiedenen Ebenen gelesen werden können. Auch bezüglich der Farben spiele ich gerne mit Grenzbereichen. Auf der einen Seite sind die Räume sehr freundlich, auf der anderen Seite haben sie etwas Geheimnisvolles an sich. Hinter meinen Räumen verbirgt sich immer eine Bedeutung. Als wir «The Gallery at Sketch London» gestaltet haben, spielte ich mit der Idee von «The Power of Women». Die Farbe Rosa wird immer als feminin und zart gedeutet. Indem ich sie komplett monochrom und auf eine sehr radikale Art und Weise verwendet habe, bekam die Farbe plötzlich eine völlig andere Wirkung.

Bild: Leandro Farina

Ihre Interior-Welten haben etwas sehr Cineastisches an sich. Sie erzählen uns Geschichten damit und nehmen uns mit auf eine Reise. Hätte der Film auch ein Medium für Sie sein können?
Ja, ich wollte immer Filmemacherin werden. Nach der Highschool machte ich ein Zwischenjahr, bevor ich Architektur studierte. Da hatte ich Zeit, und sah mir manchmal drei Filme an einem Tag an. Wenn man so viele Filme sieht, schult es das Auge, es ist, als würde man durch eine Kameralinse schauen. Diese Qualität habe ich in meine Arbeit einfliessen lassen. So denke ich auch, wenn ich einen Raum entwerfe. Alle Menschen, die den Raum nutzen, sind Akteure. Was immer sie darin fühlen oder sehen, sollte sie inspirieren oder emotional ansprechen.

Bild: Rob Whitrow

Den ganzen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 02-23 der Wohnrevue.

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