Giuliano Andrea dell’Uva realisiert Projekte zwischen Hongkong und Mailand. Im Rahmen der Milano Design Week 2023 schuf der Architekt im Campo Base einen imaginären Raum. Sein Studio in Neapel hingegen ist ganz real. Die Räumlichkeiten sind in einem Palazzo des 17. Jahrhunderts angesiedelt. Mit viel Vorstellungskraft und Liebe zur Substanz gestaltete er die ehemalige Wohnung um.

«Es war ein langwieriger Prozess, den perfekten Ort zu finden, und es war noch komplexer, diesen Ort wieder zum Leben zu erwecken», erinnert sich Giuliano Andrea dell’Uva. Denn das neue Studio sollte nicht nur zu einem repräsentativen Ort werden, der den Bedürfnissen seines sich entwickelnden Studios entsprach, sondern vor allem ein Schaufenster für den Stil des Architekturbüros werden. «Die Idee war, den Raum mit allen notwendigen Arbeitsplätzen auszustatten, aber gleichzeitig eine wohnliche Atmosphäre zu schaffen, welche die Abfolge der ursprünglichen Räume respektierte, von der Eingangshalle bis zum grossen Ballsaal gegenüber des historischen Palazzos Serra di Cassano in der Via Monte di Dio», erläutert der Architekt seine Vorgehensweise.

Es dauerte über ein Jahr, um die verborgenen Originalfresken zu restaurieren und die überwältigenden Decken wieder zum Leben zu erwecken. Ganz in Weiss gehaltene Räume kontrastieren die ausgewählte, exzeptionelle Einrichtung. Und eine Wand aus satiniertem Stahl in einem der Räume erzeugt einen überraschenden, originellen Kontrast zu den historischen Wandmalereien.

Zahlreiche Farbschichten
Um die wechselvolle Geschichte der Materialisierung, bedingt durch die verschiedenen Epochen, aufzuzeigen und zu erhalten, liess dell’Uva eine «Camera dei ricordi» schaffen. Dort sind die zahlreichen Farbschichten sichtbar gemacht worden. Die ältesten Malereien lassen sich auf das Ende des 17. Jahrhunderts datieren. Trompe-l’oeil-Marmor aus dem 19. Jahrhundert wie auch gefälschte Boiserien aus den 1960er-Jahren kamen dabei ebenfalls zutage. «Wir beschlossen, die bedeutenden Details hervorzuheben und die weniger wertvollen Schichten ganz
zu entfernen.»

Für Dell’Uva war der Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart das identifizierende Element bei der Renovation. Der Architekt und sein Team intervenierten mit dem Ziel, den historischen Ort aufzuwerten, indem sie ihn in Relation zu einer neuen Raumbezogenheit, zeitgenössischen Materialien und Möbeln setzten. Die Liebe und Leidenschaft für Materialien zeigt sich heute zudem in der «Materioteca», die auf dem verglasten Aussenbalkon untergebracht ist. Diese Material-Bibliothek dient als Schaufenster für alle bisher in den Projekten verwendeten Materialien und ermöglicht das visuelle und haptische Erfahren derselben. Und dies bei natürlichem Licht, wodurch die Farben authentisch zutage treten.

Omnipräsente Kunst
Kunst ist ein weiteres prägendes Element für das Gesamtkonzept. «In unserem Atelier zeigen wir – vertreten durch bedeutende Galeristen – wichtige Werke von Kunstschaffenden, wie Lia Rumma, Alfonso Artiaco, Vera Lutter, David Tremlett, William Kentridge und Gian Maria Tosatti», erzählt Dell’Uva. Renommierte Künstler, die alle im Laufe der Jahre eine enge Beziehung zur Stadt aufgebaut haben und so mit der Schönheit, der Geschichte und den Widersprüchlichkeiten von Neapel eng verbunden sind. Wie dell’Uva selbst.