Wort: Paula Mühlena
Ein vielfältiges Konglomerat an Projekten von Studierenden, jungen Talenten, Studios, Marken oder Galerien zeigte sich im House of Switzerland in Mailand, einem Projekt von Präsenz Schweiz und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Es artikulierte das aktuelle Schweizer Designgeschehen und präsentierte es einem internationalen Publikum. Wir haben mit jungen Designschaffenden gesprochen und stellen sie vor.
«Wie einen Klempnerauftrag betrachten wir Design als Dienstleistung: Idealerweise beginnt der Prozess mit einem spezifischen Kontext und
einem Gespräch.»
Massimo Scheidegger und Bruno Pauli Caldas
Kurzerhand vom Podest gehoben, setzten sich die Designer Massimo Scheidegger und Bruno Pauli Caldas in ihren «Vidy»-Chair, ein Projekt, das für das Theater Vidy in Lausanne entworfen und auch von diesem produziert wurde. An der ECAL entwickelt, ist es das erste gemeinsame Projekt der beiden. Die Outdoor-Stühle lassen sich wie Einkaufswagen mühelos ineinanderschieben, dank der Rollen simpel verstauen und frei auf dem Vorplatz des progressiven Theaters platzieren. «Es ist das Schönste, so Kontext-spezifisch in den Entwurfsprozess zu starten. Es ist so direkt – man kennt die Leute, die später auf dem Stuhl sitzen werden», berichten die Designer über ihre Vorliebe zu konkreten Aufträgen. Jüngst haben die beiden auch ihr Studio «Scheidegger Pauli» gegründet, schon weitere Projekte geplant und verwirklicht.
scheideggerpauli.com
«Das Ziel ist nicht immer die eine Lösung, es geht uns auch darum, Diskussionen auszulösen. Manchmal mag Naivität dabei helfen.»
Amandine Gini und Victor Moynier
Mikro, Makro: Die Designerin Amandine Gini und der Designer Victor Moynier wollen Industriezweige verbinden, Massstäbe verschieben und damit Türen öffnen.
Ihre Kollektion «Formworks» für die Ausstellung «Out of the Woodworks» der Nov Gallery im House of Switzerland zeigt dies eindrücklich. Die Serie umfasst einen Stuhl, einen Beistelltisch und ein Regal. Sie bestehen allesamt aus Holz, das Abfall der Bauindustrie ist. Für die Architektur sind die Planken für eine Wiederverwertung zu klein. Verkleinert man allerdings den Massstab, können diese Überbleibsel zur kleinen Architektur, einem Möbel, werden. Das Designer-Duo merkt an: «Noch handelt es sich um Einzelstücke, ein Fallbeispiel. Denkt man allerdings auch die Systeme dahinter um, werden diese Art von Projekten skalierbar.»
ginimoynier.com
«Es sind drei so verschiedene Kollektionen. Es ist etwas Besonderes, sie hier vereint zu sehen und von den Besuchenden selbstverständlich genutzt zu erleben.»
Johannes Breuer und Fritz Gräber
Omnipräsent: 1000 Kilo Möbel verteilten sich vor dem House of Switzerland. Es handelte sich um drei unterschiedliche Outdoor-Kollektionen des Designstudios Hannes & Fritz. So verweilten die Besuchenden im Vorhof des Ausstellungsortes auf den Kollektionen «Weekday» von Hay, «May» von New Works oder der in Mailand frisch lancierten Serie «Hongkong» der italienischen Brand Vero International. Jeweils ein Möbel der in diversen Farben erhältlichen Kollektionen war überdies auch in der Ausstellung im Haus selber zur Schau gestellt. «Es waren drei ganz unterschiedliche Ansätze, die uns zu den Entwürfen geführt haben. Dass es drei Outdoor-Kollektionen geworden sind, ist ein lustiger Zufall», berichten die Designer Johannes Breuer und Fritz Jakob. Die eine Tonne schwere Möbelmasse wandert nun weiter nach Paris und schafft Orte der Erholung für die Besuchenden der Olympiade, Paralympics und der Design Week.
hannesfritz.com
«Es ist wichtig, Produkte auch im Kontext anderer Systeme zu betrachten. Müssen wir denn immer alles selbst besitzen?»
Margo Clavier, Projektassistenz
Das Taschenlabel Freitag hat zusammen mit der ECAL ein Projekt gestartet, das auf dem Prinzip «Zugang über Besitz» basiert. Unter der Leitung von Christophe Guberon entwickelten Bachelor-Studierende des Industriedesigns Objekte, die nur temporär genutzt und nicht dauerhaft besessen werden sollen. In Mailand präsentierten zehn Studierende mögliche Leihangebote und hinterfragten damit gängiges Konsumverhalten. Alice Graff, Maëlle Roten (links und in der Mitte des Bildes) und Max Dressendörfer zeigten etwa modulare Möbel für temporäre Wohnsituationen. Gaia Vitali (rechts im Bild) gestaltete Regenponchos aus alten Airbags, die bei Bedarf, so das Konzept, geliehen werden können.
freitag.ch ecal.ch