Innovationskraft und Herzblut

Möbel, die modular aufgebaut, aber höchst individuell und frei konfigurierbar sind: Das ist die Kernkompetenz der deutschen Möbelmanufaktur Kettnaker. Sie ist derzeit auf einem Höhenflug, aber der Inhaber hat die Bodenhaftung nicht verloren. Bei einem Besuch bei der Wohnrevue-Redaktion in Urdorf blickt Wolfgang Kettnaker zurück auf die lange Geschichte des Familienunternehmens.
Er ist ein passionierter Pianist, und ähnlich gut beherrscht Wolfgang Kettnaker die Klaviatur als Möbelhersteller. Wie in der Musik – wo leise auf laute Töne, Dur auf Moll folgen – gab es in der Geschichte des 150-jährigen Familienunternehmens zahlreiche Auf und Abs. Ein fulminantes Crescendo sozusagen war die Lancierung des Möbelsystems «Soma» an der Kölner Möbelmesse 2009, ein Möbelsystem, bei dem Korpus und Aussenhaut voneinander abgekoppelt sind. Mit einem eigens entwickelten Magnetsystem können sechs Millimeter dünne Abdeckplatten aus Lack, Glas, Furnier oder Aluminium mit wenigen Handgriffen auf den Korpus montiert und gewechselt werden. «Soma» räumte gleich zwei Designpreise ab und schlug ein wie eine Bombe. «Es war der Rettungsanker aus der Krise und der Beginn einer neuen Ära», gibt Wolfgang Kettnaker unumwunden zu, denn der Möbelhersteller war wie viele andere stark gebeutelt von der Wirtschaftskrise. Mit «Soma» drehte der Wind, und heute zählt die schwäbische Möbelmanufaktur zu den Top-50-Luxusmarken in Deutschland. «Immer wieder den Mut für Neues aufzubringen, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren», beschreibt der heutige Firmeninhaber die Haltung, die sich wie ein roter Faden durch fünf Generationen Firmengeschichte gezogen hat. Den Grundstein legte sein Ururgrossvater Karl Kettnaker 1870 mit der Gründung einer Schreinerei im oberschwäbischen Dürmentingen. Der dritten Generation gelang der Sprung von der Schreinerei zur Serienfertigung, die 1960 jedoch einen grossen Rückschlag verkraften musste: einen Grossbrand, der das Produktionsgebäude vollständig zerstörte. Nach dem Wiederaufbau richteten die damaligen Chefs, die Brüder Karl und Edmund Kettnaker, das Unternehmen vermehrt auf Serienfertigung aus. Daneben wurden aber immer noch Möbelunikate gefertigt. Mit dem Möbelsystem «Ranch» in Eiche Furnier stellt das Label 1977 erstmals an der Kölner Möbelmesse aus. 1987 folgte ein weiterer Schock: Karl Kettnaker, der Vater des heutigen Inhabers, starb völlig überraschend. Damals war Wolfgang Kettnaker gerade mal 23 Jahre alt und mitten im Studium zum Wirtschaftsingenieur. Zusammen mit seinem Onkel leitete er den Betrieb weiter, getragen vom Rückhalt der Mitarbeiter und mit einem grossen Vertrauensvorschuss der Händler, sagt der Unternehmer heute. Er war zwar beim Einstieg in die Firma jung, aber schon gut vertraut mit der Materie. «Ich bin neben der Hobelbank meines Grossvaters aufgewachsen und durfte viel experimentieren. Später war ich oft auf Montage, wodurch ich ein gutes Verständnis dafür bekam, wie ein Möbel funktioniert», erzählt Kettnaker. Gemeinsam mit dem Team, allen voran mit dem Produktentwickler Karl-Herrmann Metzger, der die Produkte aus dem Hause Kettnaker über Jahrzehnte geprägt hatte, trieb er die Gestaltung neuer Möbel voran. In den 2000er-Jahren schliesslich erfand er das Unternehmen neu: mit der Investition in eine neue Fertigungstechnik, die Plattformstrategie. Dabei sind Basis und Technik der Möbel identisch, Hülle und Ausstattung hingegen personalisierbar – eine Strategie, die zum Beispiel Porsche fährt, und ebendiesen deutschen Autobauer, von dem der Unternehmer ein grosser Fan ist, nahm er sich zum Vorbild. 

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