Prächtiger Pomp

Opulenz ist alles andere als effekthascherisch. Davon ist Claudia Silberschmidt, Innenarchitektin und Inhaberin von Atelier Zürich, überzeugt. Das Innenarchitekturstudio hat sich einen Namen mit abundanten, üppigen und farbenfrohen Projekten gemacht. Ein stringentes Konzept erachtet die Gestalterin dabei als essenziell.

Bild: Gaelle Le Boulicaut

Claudia Silberschmidt, welche Bilder evozieren die beiden Begriffe Opulenz und Üppigkeit?
Vor meinem inneren Auge erscheinen Bilder von bunt tapezierten, farbenfrohen Räumen und üppig dekorierten Tischen. Ich denke an englische oder französische Interiors von gemütlichen Landhäusern bis hin zu grossartigen Schlössern. Gleichzeitig verbinde ich mit dem Thema eine besondere Aufmerksamkeit fürs Detail sowie eine grosse Verspieltheit und Leichtigkeit.

Auch in Ihren Projekten hat das Üppige, Grosszügige und Farbenfrohe eine wichtige Rolle inne. Für welche Objekte nutzen Sie diesen Ansatz?
Insbesondere für historische Bauten ist dieser Stil geeignet. Ein gewichtiger Teil unserer Hospitality- und Highend-Residential-Projekte sind in historischen, meist denkmalgeschützten Bauten angesiedelt. Wir befassen uns tiefgründig mit der Geschichte, der Architektur und dem Ort dieser Bauten und schaffen dadurch eine grundlegende Basis für ein erfolgreiches Projekt.

Bild: Martin Guggisberg

Liegt Ihnen dieser Stil besonders am Herzen?
Unsere opulenten Projekte stechen in der doch eher nüchternen Projektlandschaft Schweiz heraus, weshalb wir wohl mehrheitlich Anfragen für üppigere Projekte erhalten. Wir können aber auch ganz sec und clean, jedoch stets einladend und wohnlich. Im Wesentlichen lassen wir uns immer wieder auf die individuellen Bedürfnisse der Bauherrschaften ein. So entsteht Neues, Unerwartetes – manchmal üppig, manchmal reduziert.

Sie sprechen es an, in der Schweiz ist eher Schlichtheit angesagt. International geht es bunter und üppiger zu und her. Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?
Ja, natürlich! Insbesondere in der Hotellerie und Gastronomie ist man international viel mutiger. In Europa sind für mich Paris und London die wichtigsten beiden «Influencer-Städte», die dies beweisen. So zum Beispiel «Sketch» in London von India Mahdavi, das Hotel Saint James in Paris von Laura Gonzalez sowie «Annabel’s» Private Club in London von Martin Brudnizki.

Bild: Gaelle Le Boulicaut

Was ist das A und O, um ein gelungenes, stimmiges Projekt zu realisieren?
Auftraggeber müssen sich bewusst sein, in was für eine Robe sie ihr Objekt stecken möchten. Das Interior ist nichts mehr als ein Raumkleid. Das Wichtigste, und das gilt für jedes Projekt, ist dabei ein stringentes Gestaltungskonzept. Egal ob opulent oder karg. Als Interiorprofis verstehen wir es, gemeinsam mit der Bauherrschaft einen roten Faden zu erarbeiten und diesen von der ersten Entwurfsidee bis hin zur Umsetzung im Auge zu behalten. Entlang dieses roten Fadens gibt es jeweils viele gestalterische Lösungen.

Sind «barocke» Projekte eher von kurzlebiger Dauer?
Nein, ganz im Gegenteil. Auch unsere üppigen Projekte sind langlebig. Opulent ist nicht gleichbedeutend mit Effekthascherei. Es geht dabei darum, die Geschichte zu verstehen und zeitgemäss umzusetzen. Ein gutes Beispiel ist das Hotel Le Grand Bellevue in Gstaad. Wir hatten den Umbau bereits 2013 realisiert, mediale Anerkennung sowie eine Auszeichnung erhielten wir erst zehn Jahre später!

Bild: Gaelle Le Boulicaut

Die Wohnwelt als Bühne: Wie lassen sich Stilelemente wie Illusionismus und Trompe l’oeil in Wohnkonzepte einbinden?
Sozusagen als Einstieg in diese Welt gilt nach wie vor die Gästetoilette als einfachster Ort zur Einbindung von ungewohnten Stilelementen. Es ist ein Ort, welchen in einem privaten Zuhause auch der Gast zu sehen bekommt. Dies kann durchaus eine ansteckende Wirkung auf weitere Wohnräume haben.

Textilien, Tapeten, Vorhänge, Spiegel und glänzende Materialien sind ebenfalls wichtige Elemente. Worauf gilt es bei deren Kombination zu achten?
Ein Rezept für Materialkombinationen gibt es nicht, hier ist Stilsicherheit gefragt. Besonders wichtig ist es, eine Spannung unter den einzelnen
Elementen aufzubauen. Und behutsam vorzugehen: Denn ein glänzender Vorhang kann neben einem reflektierenden Spiegel rasch zu viel werden und kitschig wirken. Die Wahl und der Mix von Mustern und Farben für Textilien und Tapeten ist eine meiner Lieblingsarbeiten, die in unserem Atelier wunderbar ausgelebt wird. Wir verfügen über ein enormes Repertoire an Materialien und wir sind stets auf der Suche nach Neuem.

Bild: Martin Guggisberg

Können Sie uns eines Ihrer eigenen liebsten Projekte nennen, das sich durch Opulenz und Üppigkeit auszeichnet?
Ich habe fast nur Lieblingsprojekte (schmunzelt). Sehr am Herzen liegt mir der Club Baur au Lac, ein privater Memberclub im Herzen Zürichs. Das wunderbare Haus aus dem Jahre 1843 wurde komplett ausgehöhlt und mit viel Liebe zum Detail sorgfältig ausgebaut.

Wo haben Sie bei diesem Projekt den gestalterischen roten Faden gelegt?
Der gestalterische Hauptakteur in diesem opulenten Ausbau, der sich über die Textilien, die Keramik, die Leuchten und die Accessoires durchzieht, ist das Ginkgoblatt. Sämtliche Möbel sind von uns entworfen und massgeschneidert oder mit Kundenstoff und speziellen Details versehen. Die keramischen Kacheln in vier verschiedenen Farben, welche die Cheminées einkleiden, sind Entwürfe des Appenzeller Künstlers Sebastian Fässler. Diese sind mit grosser Handwerkskunst in der Schweiz gefertigt worden. Die bedruckten Leinenstoffe im Restaurant sowie sämtliche dekorative Leuchten wurden gemäss unseren Entwürfen in Irland und Frankreich speziell für den Club angefertigt. Und zu guter Letzt konnten wir für die Gästetoiletten gar die gesamte Leder-Accessoire-Linie entwickeln, in Gold und mit Ginkgo-Prägung. Für mich ein Gesamtkunstwerk!

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