Das interdisziplinäre Designunternehmen Natural Material Studio setzt sich für die
Veränderung unseres kollektiven Verständnisses von Materialien ein. Um dies zu erreichen, erforscht, gestaltet und produziert das dänische Studio der Interaktions-Designerin Bonnie Hvillum einzigartige, bio-basierte Materialien mittels handwerklicher Produktionstechniken und -prozesse.
Für die Dänin Bonnie Hvillum steht die menschliche Interaktion mit der Welt im Fokus. Ihre interdisziplinären Projekte bewegen sich zwischen Wissenschaft, Biologie, Chemie, Design und Kunst. Die Designerin, Forscherin, Dozentin und Design & Art Consultant möchte verändern, wie wir Materialien wahrnehmen und mit ihnen in Beziehung stehen. Die Begegnung mit der Philosophie der Systemtheorie während ihrer Ausbildung war ein wichtiger Wendepunkt für die Gründerin des Designstudios. Damals wurde ihr bewusst, dass wir nur begrenzte Ressourcen haben und wir alle Bereiche unseres Systems berücksichtigen müssen. Als sie ihre Firma Natural Material Studio gründete, hat sie daher viel Zeit in Forschung, Kontakte und Wissensaustausch innerhalb der wachsenden «Material Community» in Europa investiert.
Beim Natural Material Studio geht es um Materialien, Oberflächen, Texturen und technische Entwicklungen. Im Zentrum stehen jedoch der Mensch und seine Interaktionspunkte wie Berührungen, Gefühle und Sinne. «Die Erfahrung von Materialität kann zu mehr Verbundenheit zum Hier und Jetzt führen», sagt Hvillum. Die Arbeit der Designerin ist immer disziplinübergreifend und die Einteilung in Mode, Möbel, Architektur oder Kunst ist für sie irrelevant. «Alles, was uns begegnet, hat irgendeine Art von Materialität. Das ist der Ausgangspunkt, und alles andere hat sich von da aus entwickelt.»
Hvillum hat in ihrer Arbeit auch einen kollaborativen Anspruch. Sie will Menschen zusammenbringen und eine starke Gemeinschaft schaffen. Die Kooperationen mit Unternehmen wie Frama, Dinesen oder Calvin Klein zeigen diese Interdisziplinarität und veranschaulichen, welche Möglichkeiten die neuen Materialien bieten.
Vielerlei Kooperationen
Solche vielfältigen Projekte kommen sehr unterschiedlich zustande. Von konkreten Aufträgen über Förderprogramme, für die Natural Material Studio die richtigen Menschen zusammenbringt, bis zu eigenen Forschungsprojekten. Beispielsweise forschte die Dänin an einem Projekt mit Muscheln als Rohmaterial und trat mit ihren Erkenntnissen an das weltberühmte Michelin-Restaurant Noma in Kopenhagen heran. Gemeinsam erforschten sie eine neue Art von Ton und entwickelten Geschirr, das auf Muschel- und Schalentier-Resten des Restaurants basiert.
Die Arbeit mit Muscheln als Basis für Ton und Glasur birgt viel Potenzial – nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch. Das Studio und der dänische Keramiker Esben Kaldahl setzen die Forschung fort und wollen das konzeptionelle Geschirr für andere Gastronomiebetriebe und schliesslich für den Privatkundenmarkt weiterentwickeln. Als Teil der visuellen Präsentation der verschiedenen Tongefässe und der Dokumentation der Forschung entwickelte das Studio auch ein biologisch abbaubares Algentextil, das als ergänzende Tischunterlage oder Stoff dient.
Am Anfang eines Projektes steht meist ein Abfallprodukt und die Motivation, es umzunutzen und wieder in den Kreislauf einzubringen. Im wissenschaftlichen und kreativen Prozess geht es für Hvillum darum, Verbindungen zwischen Dingen herzustellen, von denen man nicht unbedingt denken würde, dass sie zusammenpassen.
Sinnliche Erkundungen
Natural Material Studio präsentiert seine Forschungsprojekte und Materialentwürfe auch in Form von grossflächigen Installationen, bei denen das Unternehmen den Besuchern eine sinnliche, körperlich erkundbare Erfahrung mit den neuartigen Materialien ermöglicht. Dabei fordert Hvillum auf, die eigene Wahrnehmung und die Beziehung zum Material sowie dessen Ästhetik und Strukturen zu hinterfragen. Die Installation «Human Nature» war letztes Jahr in Kopenhagen während der Messe «3 Days of Design» zu sehen. Auf einer Fläche von 650 Quadratmetern zeigte diese eine Auswahl der entwickelten Biomaterialien des Studios in Form von skulpturalen Objekten und langen Textilbahnen, die von der Decke herabhingen.
Hvillum hat eine grosse Neugierde und Respekt für das komplexe System, in dem wir leben. «In meiner Arbeit sorgt die Natur für spannende Einschränkungen», meint sie. Dass es bei der Herstellung auf natürliche Weise Grenzen gibt, ist für die Designerin und Forscherin eine positive Herausforderung. Zudem ist es ihr wichtig, stets wieder neue Formen und Wege zu finden. «Wenn alles immer möglich ist, ist es zu einfach», so die Dänin.