Kompostierbares Besteck, ein Skischuh aus nachwachsendem Kunststoff, oder ein organisch wachsendes Styropor – das Thema ist «biobasiertes Material». Im Gespräch mit Mario Pellin, dem Kurator und Leiter des Material-Labors im Gewerbemuseum Winterthur, wird diese Materialkategorie transparenter.
Mario Pellin, Sie sind Kurator am Gewerbemuseum Winterthur und leiten dort auch das Material-Labor. Welche Vision verfolgen Sie mit letzterem?
In unserem Material-Labor in Winterthur fokussieren wir den Forschungs- und Experiment-Charakter. Wir setzen auf das Ausprobieren mit dem Material. Das ist interaktiver als das Abfragen von Wissen. Deswegen nennen wir uns auch neu «Labor» und nicht mehr «Archiv». Wir agieren jedoch nicht alleine, sondern sind Teil des Netzwerks Material-Archiv mit elf Mitgliedern an verschiedenen Standorten. Jedes Mitglied betreibt eine Präsenzsammlung, gemeinsam führen wir ein Online-Archiv, unseren grossen Wissensspeicher.
Nun zum Thema: Was genau versteht man unter «biobasierten Materialien»?
Materialien, die aus organischen Substanzen hergestellt werden, nennt man «biobasiert». Auf solche organischen Materialien oder Verbundwerkstoffe greift man schon ewig zurück. So zum Beispiel ein Gemisch aus Stroh und Lehm im Hausbau. Der Begriff biobasiert ist jedoch erst als Gegenpol zu den erdölbasierten Kunststoffen aufgekommen. Vorher sprach man einfach von pflanzlichen oder tierischen Rohstoffen. Mit dem Bewusstsein, dass Erdöl limitiert ist, haben die Forschung und Industrie angefangen, nach Alternativen zu suchen. Daher wird der Begriff «biobasiert» auch vorwiegend im Kunststoffbereich verwendet.
Sind «biobasierte Materialien» per se nachhaltig?
Man hat das Gefühl, «biobasiert» sei das Wundermittel. Nehmen wir einen Bambusteller mit der vielversprechenden Etikette «Bio-Kunststoff» als Beispiel. Er hat tatsächlich einen grossen Anteil an Bambusfasern, aber der Binder ist ein erdölbasierter Kunststoff, der nicht biologisch abbaubar ist und allenfalls noch gesundheitsschädigende Zusatzstoffe enthält. An diesem Beispiel erkennt man die Komplexität des Themas und die Schwierigkeit, den Durchblick zu behalten. Was ist biobasiert? Was ist biologisch abbaubar? Und biobasiert heisst eben nicht automatisch biologisch abbaubar. Somit kann man sagen, biobasierte Materialien sind nicht per se nachhaltig.
Welche Potenziale versprechen biobasierte Materialien dann?
Grundsätzlich ist es gut, dass biobasierte Materialien eine Alternative bieten zu herkömmlichen Kunststoffen. Überdies ist positiv, dass eher auf lokale Rohstoffe zurückgegriffen wird. In der Schweizer Lebensmittelindustrie zum Beispiel gibt es viele Abfälle, die wiederverwendet werden können. Die Schale von Erdäpfeln etwa ist ein Abfallprodukt der Chipsproduktion. Die thermoplastische Stärke der Schale ist simpel zu verarbeiten, und wird für Kompostierbeutel verwendet. Sie sind nicht sehr beständig, aber für diese Anwendung gerade richtig. So kann man anfallende Reste verwerten, deren Entsorgung vermeiden und unnötige Transportwege umgehen. All das macht auch unabhängiger von den Ölriesen, die politisches und ökonomisches Druckmittel sind.
Vor welchen Herausforderungen steht die Welt der biobasierten Materialien aktuell?
Ein Beispiel liefert das Forschungsprojekt des «Plastic Innovation Competence Center» in Fribourg. Es handelt sich um eine Folie aus Hühnerfedern, einem Abfallmaterial der Fleischindustrie. Es eignet sich ideal als Verpackungsmaterial. Liest der Konsumierende jedoch, dass der Kopfsalat mit einer Folie aus Hühnerfedern verpackt ist, entsteht oft eine ablehnende Haltung. Es braucht also auch einen Wandel in der Akzeptanz, wir müssen unsere Ansprüche anpassen.