Piccola Belleza

Das Dorf liegt nicht auf der Sonnenseite des Maggiatals, und genau das ist heute sein Vorteil. Wegen seiner weniger attraktiven Lage wurde es baulich nicht verschandelt, sondern blieb weitgehend erhalten. An diesem Ort, dessen Dorfkern geschützt ist, hat sich die Architektin Britta Buzzi-Huppert eine kleine Oase geschaffen. Eigentlich suchte sie irgendwo im Tessin abseits von städtischen Zentren ein Haus zum Umbauen. Stattdessen stiess sie zufällig auf das aussergewöhnliche Grundstück, auf dem sie schliesslich einen Neubau plante. Sie ist Mitglied der kantonalen Landschaftskommission, unterrichtet an der Architekturakademie in Mendrisio und ist als Wanderleiterin im In- und Ausland tätig. Da sie kaum noch als ausführende Architektin arbeitet, plante sie ihr Objekt zusammen mit dem Architekten Francesco Buzzi, ihrem Ex-Mann und bis 2010 Büropartner von Buzzi Studio d’Architettura in Locarno. Sie hatten 15 Jahre lang zusammengearbeitet und teilten eine ähnliche Auffassung von Architektur. So brachten beide Parteien ihre Ideen ins Projekt ein.

Garten Eden im Miniformat
Auf dem Grundstück befanden sich ein traditionelles Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert, ein Stall und ein Gemüsegarten, der von einer Steinmauer gefasst ist. «Das spezielle Ensemble hat mich sofort fasziniert», blickt Francesco Buzzi zurück und ergänzt, der Garten sei ein eigentlicher Hortus conclusus. Das Konzept des geschlossenen, ummauerten Gartens wurde im Mittelalter erfunden und diente als eine Art Ersatz für den Garten Eden.
Das alte Wohnhaus war viel zu klein und baufällig, als dass man es in nützlicher Frist zeitgemäss hätte umbauen können. Also planten die Architektin und der Architekt einen Neubau auf dem Areal. Die Setzung des neuen Gebäudes war für Britta Buzzi-Huppert klar entlang der Dorfstrasse. Damit fand einerseits eine logische Fortsetzung der Dorfstruktur statt, und andererseits wurden die Dimensionen des Gartens weitgehend erhalten. «Bemerkenswert an der Lage ist, dass der Neubau den Auftakt des alten Dorfkerns bildet», sagt Francesco Buzzi. Diese Tatsache und das schützenswürdige Dorfbild waren für die Architekten der Hauptgrund, besonders sensibel vorzugehen bezüglich formaler Ausformulierung. «Ich wollte hier nicht meine Handschrift hinterlassen, sondern gefühlvoll in die gewachsene Umgebung bauen», sagt der  Tessiner Architekt. Beim Anblick des neuen Gebäudes glaubt man denn auch, es sei schon immer hier gestanden.
Der Neubau im unteren ­Maggiatal ist das ­Gegenteil ­eines Protzbaus: Er ist klein und bescheiden, sensibel in die Umgebung eingefügt, und er bezaubert mit ­schlichtem Charme.
Gestalterisches Vorbild für die Gebäudeform war die Torba, ein traditioneller Bautyp von Getreidespeichern im Maggiatal – ähnlich den Walserhäusern. Diese Gebäude hatten einen Steinsockel und einen Überbau aus Holz auf Pfählen. Holz war auch das Wunschmaterial für die Fassade des Neubaus. «Doch dies lehnte die lokale Baukommission ab», sagt die Architektin Britta Buzzi-Huppert. Deshalb entschloss sie sich für eine Holzkonstruktion mit mineralischem Verputz. So schlicht die Gebäudeform ist, so offenbaren sich auf den zweiten Blick doch einige spezielle Details. «Die Fassade ist grafisch komponiert und zeigt ein feines Spiel mit Proportionen», kommentiert Francesco Buzzi. So ist zum Beispiel das Giebeldach asymmetrisch, und die Fenstergrössen und -rahmen sind ganz unterschiedlich ausformuliert. Die Läden sind mit Alpensonnen verziert, den typischen Ornamenten der alpinen Architektur.

Die ganze Wohnreportage lesen Sie in der Augustausgabe der Wohnrevue. Hier bestellen.

Wort
Katrin Ambühl

Bild
B
arbara Franzò

Styling
T
homas Zangaro

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