Werbung

Zwischen Sein und Nicht-Sein

Wort: Paula Mühlena / Bild: ZVG
Mehrschichtig begegnen Brynjar Sigurðarson und Veronika Sedlmair der Transparenz. Nuanciert greifen sie diese auf, integrieren sie mal physisch in Form von Glas, mal subtil in ihre Erzählungen – und lassen Beobachtende das Verborgene entdecken. Wir sprachen mit dem isländisch-deutschen Duo über seine Arbeit.

Unzählige dieser Glas-Muster sind Resultat langjähriger Recherchen des Duos rund um die Technik «Pâte de verre». Nun sollen diese mehrfarbigen Gemälde in Glas grossflächig in Fenstern zum Einsatz kommen.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Transparenz denken?
Veronika Sedlmair Zum einen die physische Seite – etwa ein Material, durch das man hindurchsehen kann. Zum anderen eine charakterliche Bedeutung: Beziehungen, Ehrlichkeit, Klarheit, Zwischenmenschliches und Interaktionen. Und da ist es spannend, denn sich transparent zu verhalten, bedeutet: offen sein – das Gegenteil von verschlossen oder undurchlässig sein.

Ist Transparenz in Ihrer Arbeit ein gestalterisches Werkzeug?
Brynjar Sigurðarson Man könnte denken, Transparenz sei unser zentrales Thema. Sie ist aber eher ein unbewusster Bestandteil unserer Praxis. So etwa, wenn wir ein Material betrachten: Wir halten es fast immer gegen die Sonne oder eine Lichtquelle. Es fasziniert, wie Licht das Material sichtbar macht und enthüllt. Wir sprechen dann oft über Transluzenz – das Spiel zwischen Opazität und Transparenz. Denn ist etwas völlig transparent, verliert es mitunter die Faszination. Uns interessiert der transformative Aspekt der Transparenz.

Wie Pilze aus dem Märchen: Jede der mundgeblasenen Glasleuchten der Serie «Mystic Garden» für die Designgalerie Galerie Kreo, produziert mit Cirva, ist einzigartig in ihrer Form und Farbkombination. Bild Alexandra de Cossette, Courtesy Galerie kreo

So wie etwa bei Ihrer Leuchten-Serie «Mystic Garden»?
VS Ja, die Leuchten spielen mit der klassischen Vorstellung von Glastransparenz, mit Licht und Farbe. Die Lampenschirme haben oft zwei Farben – eine aussen, eine innen. Wenn sie beleuchtet werden, projiziert die innere Farbe auf die äussere, wodurch sich ihr Erscheinungsbild, je nachdem, ob sie ein- oder ausgeschaltet sind, verändert. Ein transformativer Umgang mit Transparenz und Farbe.

Für ein anderes Projekt arbeiteten Sie mit einer besonderen Glastechnik. Was war dabei Ihr Ziel?
BS Pâte de verre ist eine aufwendige Glastechnik aus dem 19. Jahrhundert, die heute kaum noch praktiziert wird. Farben dafür zu finden, ist schwierig, weshalb wir während unserer Residency beim Forschungszentrum Cirva in Marseille die ersten zwei Jahre lang nur dazu experimentierten. Wir entwickelten rund 1000 neue Farbtöne – von steinartig über transparent bis milchig. Daraufhin mischten wir diese Farben und erforschten, wie sie zusammenkommen würden. So entstand dann auch die Idee einer neuen Art von Buntglas.Wie Kirchenfenster, bei denen die Farben bereits beim Brennen verschmelzen – einem Gemälde aus Glas ähnlich – anstatt nachträglich zusammengesetzt zu werden. Nun ist die Forschung abgeschlossen. Wir haben Hunderte dieser Platten, die allesamt durch das Sonnenlicht aktiviert werden. Nun gehen wir erstmals nach vier Jahren damit an die Öffentlichkeit – mit der Vision, grossflächige Fenster zu bespielen.

Wasser als transparentes Material: Die «Haug Rainbow Fountain» steht an der Enz in Pforzheim, Deutschland. Geht die Sonne auf oder unter, entsteht im Wassernebel ein Regenbogen. Bild Sander van Wettum

Wie kam es zu dem Projekt «Rainbow Fountain»?
VS Die Brechung von Licht ist ein wiederkehrendes Thema in unserer Arbeit. In Pforzheim, wo das Projekt installiert ist, wurde es durch den Ort selbst wieder relevant: Ein Fluss verläuft exakt in der Achse der Sonne von Ost nach West, sodass das Morgen- und Abendlicht flach über das Wasser fällt – ideale Bedingungen für Regenbögen. Diese natürliche Gegebenheit inspirierte uns. Durch zahlreiche Tests – etwa zur Tropfengrösse und ihrer Auswirkung auf Intensität und Farbe – entwickelte sich schliesslich die Idee eines «Regenbogen-Machers»: einer Kreatur, die den Geist des Schwarzwalds verkörpert und Regenbögen sprüht. Und das Schöne daran; Regenbögen sind universell verständlich – ein vergänglicher Moment, den jeder schätzt. Man muss keine Kunstexpertin oder Kulturkenner sein, um sich über diese öffentliche Installation zu freuen.

Ihre Arbeiten erzählen Geschichten, aber Sie geben selten explizite Erklärungen dazu. Warum?
BS Wenn man ein Objekt mit zu vielen Erklärungen überlädt, kann es auch ersticken – man nimmt ihm die Möglichkeit, für andere etwas Eigenes zu sein. So haben wir etwa für die leuchtenden Pilz-Objekte der Serie «Mystic Garden» eine Klangskala entwickelt, die zur Ausstellung der Lampen, die an und aus gehen, abgespielt wird. Das wirkt magisch. Wir schreiben nicht unbedingt eine Geschichte, aber wir interessieren uns grundsätzlich für diese Art mystischer Folklore. Vieles ist dabei auch von meiner isländischen Herkunft beeinflusst: Dort gibt es etwa das Wort Huldufólk. Es bedeutet «verborgene Menschen» – alles, was wir nicht sehen, seien es Geister, Elfen oder Trolle. Das Spiel zwischen Sichtbarem und Verborgenem ist essenziell für uns. Die Existenz oder Nicht-Existenz von Transparenz und ihr Effekt damit auch.

Studio Brynjar & Veronika
Vor über 10 Jahren gründeten Brynjar Sigurðarson und Veronika Sedlmair ihr Studio in Immenstadt, Deutschland. An der Schnittstelle von Kunst und Design reichen ihre Arbeiten von Installationen über Produkte bis hin zu Ausstellungen. Dabei schafft das isländisch-deutsche Duo Werke zwischen Mythos sowie Realität und leistet imaginative Denkanstösse mit diversen Medien. Bekannt für Projekte wie die «Silent Village»-Kollektion (Galerie Kreo) oder Circle Flute (Lafayette Anticipations und Teil der Cornucopia-Tour von Björk), wurden ihre Arbeiten weltweit ausgestellt und vielfach ausgezeichnet.
biano.is


Neueste Artikel

«Qualität zu erkennen, ist unsere Kompetenz»

Alessandro Marchesi, Enea Outside In, Zürich

05-25 | Teilgebiete

Ob Parkbank, Stammtisch, Büro oder Kulturzentrum – vieles, was uns umgibt, ist für die Gemeinschaft gedacht. Doch Teilen ist mehr als ein Akt der Grosszügigkeit – es ist auch ein Gestaltungsprinzip. Diese Ausgabe widmen wir ganz dem Thema Teilen. Denn vielfältige Designideen entstehen durch das Teilen – oder sind diesem Gedanken ganz und gar verschrieben.

Gemeinsam gewinnen

Urbanista denkt städtische Lebensräume ganzheitlich. Wir haben uns mit dessen Geschäftsleitungsmitglied Thomas Hug-Di Lena über die Zukunft öffentlicher Räume unterhalten.
Werbung

Weitere Artikel