Ein System mit Unikatscharakter

An der Mailänder Möbelmesse präsentierte das Designunternehmen Minotti zahlreiche Neuheiten, darunter auch «Roger», ein hochkomplexes Sitzmöbelprogramm. Es bietet viel Gestaltungsfreiraum und weist schöne handwerkliche Details auf.

In der Via Bramante taucht man in eine andere Welt ein. Die Strasse ist gesäumt von Manufakturen und Werkstätten, Kinder spielen, Arbeiter plaudern. Man hört kein Italienisch, nur Chinesisch. Das China Town von Mailand ist eine Gegenwelt zu Brera, dem Edelviertel, wo der Grossteil der Möbelmesse in Prachtshäusern und glanzvollen Showrooms Anfang September über die Bühne ging. Das Studio von Rodolfo Dordoni liegt mitten im chinesischen Viertel, in einem ehemaligen Reisspeicher in einem Innenhof. Der Architekt und Designer arbeitet hier mit ca. 20 Angestellten an Architektur- und Designprojekten.

Dieses Jahr wurde sein Entwurf «Roger» vorgestellt, den Dordoni für Minotti entwickelt hat. Die Sitzmöbel mit den weichen Konturen und eleganten Polstern sind handwerklich auf höchstem Niveau verarbeitet. Das System umfasst drei Arten von Elementen: «Roger Suite» mit Sitzkissen und einer Tiefe von 101 cm; «Roger Spring», aus einem Block geformt, auf der Oberfläche vollständig gesteppt und mit gleicher Tiefe sowie einem Inneneinsatz aus Taschenfedern, der die Unverformbarkeit des Sitzes garantiert; schliesslich «Roger Sofa» mit einer auf 94 cm reduzierten Tiefe und ohne Armlehnen. Weiter gibt es Container und Ablageelemente, die unterschiedlich platziert werden können. Kurz: Ein hochkomplexes Möbelprogramm, über dessen Entwicklung wir während der Möbelmesse mit Rodolfo Dordoni gesprochen haben.

Rodolfo Dordoni, Ihr Sitzmöbelprogramm «Roger» ist ja im Lockdown entstanden. Machte dieser die Entwicklungsarbeit schwieriger?
Natürlich haben sich dadurch gewisse Dinge verkompliziert. Die kreative Phase der Produktentwicklung fiel mitten in den Lockdown. Speziell ist dabei aber, dass Minotti sich ganz bewusst entschieden hat, auch in dieser unsicheren Zeit weiterzumachen mit der gleichen Überzeugung und kreativen Energie wie sonst. Das hat mich tief beeindruckt.

Wann war das Produkt serienreif?
Bereits diesen April, wo ja normalerweise der Salone del Mobile hätte stattfinden sollen. Nun wurde es halt erst im September der Welt präsentiert.

Was macht das Sofa «Roger» speziell?
Es ist mehr als ein Sofa, es ist ein unheimlich komplexes System mit mehr als 600 verschiedenen Elementen und Komponenten. Es gibt nur wenige Firmen, die ein so umfangreiches Möbelprogramm entwickeln können. Das System gibt dem Kunden die Möglichkeit, sein eigenes Sitzmöbel zu bauen. Es ist zwar ein System, aber das Endprodukt ist ein persönliches Möbel.

Inwiefern ist die Formensprache speziell?
«Roger» trägt nicht meine Handschrift, sondern jene von Minotti. Vor 24 Jahren, als ich die Zusammenarbeit mit Minotti aufnahm, haben wir gemeinsam begonnen, eine typische Minotti-Sprache zu entwickeln, eine DNA festzuschreiben. Und so hat das Unternehmen nie Möbel mit Autorendesign lanciert, sondern solche, die sich in die vorhandenen Kollektionen eingliedern.

Was war denn das Kernthema bei der Entwicklung?
Es ging nicht darum, eine Form neu zu denken, sondern vielmehr, das Thema Sitzen neu zu betrachten. Am Anfang gab es Brainstormings zu dieser Frage mit den Inhabern der Firma und verschiedenen Spezialisten. Jeder brachte seine Ideen ein. Die Zusammenarbeit im Team war wie immer sehr eng. Besonders intensiv war diese Phase im Stadium der Prototypen. Dazu ist zu sagen, dass Minotti nicht einfach nur grobe Prototypen fertigt, sondern diese bis ins allerkleinste Detail produziert. Zuerst werden die Proportionen besprochen bis hin zu der Platzierung und Art der Nähte, den Stoffen etc. Minotti hat eine interne Produktentwicklungsabteilung, das Minotti Studio. Es ist die kreative Seele des Unternehmens, wo Architekten, Innenarchitekten, Modellbauer, Ingenieure und Grafiker arbeiten. Die Expertise dieser Abteilung ist enorm, und ich glaube, man sieht das den Produkten auch an.

Können Sie noch ein Beispiel machen für die Detailliebe, die Sie erwähnt haben?
Es gibt viele handwerkliche Details bei den Minotti-Möbeln, aber ganz speziell ist das Thema Textilien. Alle Stoffe werden von einer eigenen Abteilung entworfen. Bei den Bezügen kann man durchaus von Haute Couture sprechen. Und fast alle Produktionsschritte werden bei Minotti selbst gefertigt. Das ist wirklich ­einzigartig!

minotti.com, rodolfodordoni.it

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