Wort: Paula Mühlena / Bild: ZVG
Wir haben junge Schweizer Designerinnen nach den Frauen gefragt, die sie inspiriert haben. Unter den Antworten sind Rapperinnen, Grossmütter, bereits verstorbene Gestalterinnen, Filmcharaktere oder auch Nählehrerinnen – ein Spektrum so vielseitig, offen und
aufmerksam wie die Arbeit der Designerinnen selbst.
Noelani Rutz
«Mich inspirieren unter anderen: Annie Wu, die kurz vor der Pensionierung wieder mit der Malerei angefangen hat. Charlotte Perriand, die mit ihrer Sensibilität für Materialität und Form in einer männerdominierten Domäne brillierte. Iris Humm, die nebst erfolgreicher Karriere mit ansteckender Wissbegierde und Offenheit ihrer Leidenschaft fürs Handwerk nachgeht. Camille Rast, welche die Hürden und Rückschläge auf ihrem Weg mit mentaler Stärke und Ausdauer überwunden hat. Jeong Kwan, deren Ruhe und Hingabe zum Ausgereiften daran erinnert, die Verbundenheit zu sich und der Natur zu nähren.»
noelanirutz.com
Estelle Bourdet
«Ich denke an Märta Måås-Fjetterström, die 1919 ihre Weberei an der Westküste Schwedens gründete, die noch heute aktiv ist. An Alice Coltrane für ihre Musik. An Marie Métrailler und Sue Hubbell, die unabhängiges Leben in der Natur führten. An meine Nählehrerinnen, die mir das Vertrauen gaben, mit meinen Händen zu arbeiten. An Inga-Britta Tallroth, meine Grossmutter, die mir früh beibrachte, selbstgefangenen Fisch zu säubern. An Emilie, meine Schwester, für ihren Aktivismus und ihre Hingabe als Mutter und Hebamme. Smarte, entschlossene, schöne Frauen, die das Leben mit Fürsorge und Aufmerksamkeit für ihre Umgebung meistern.»
estellebourdet.com
Alix Arto
«Menschen, die Systeme herausfordern und Normen hinterfragen, inspirieren mich. Mein Bücherregal ist gefüllt mit Charakteren wie Bell Hooks, Virginie Despentes und Fatima Ouassak. Ich schätze Filme von Alice Rohrwacher oder Louise Courvoisier. In der Welt der Objekte inspirieren mich Magdalene Odundo, Nanna Ditzel, Valentine Schlegel, Wu Guangrong, Cecilie Manz, Bodil Manz, Charlotte Perriand, Louise Bourgeois oder Anni Albers. Zudem bewundere ich Frauen, deren Handwerk in den Traditionen der Heimindustrie verwurzelt ist, wie etwa die Weberin Marie Métrailler. Derzeit arbeite ich mit den Designerinnen Emma Casella und Yihan Zhang. Für das Projekt sprachen wir mit inspirierenden Menschen aus der Wollbranche. Ihre Beiträge werden in einer Publikation gewürdigt, die bei der Milan Design Week im April präsentiert wird.»
alixarto.com
Lena Bernasconi
«Mich interessieren Frauen, die sich in männerdominierten Bereichen behaupten und gesellschaftliche Normen durchbrechen. Als Kind zeigten mir meine Eltern Szenen des Films ‹Kill Bill›, und ich fand die ‹blonde Kriegerin› einfach cool. Später begleiteten mich viele weibliche Rapperinnen wie Princess Nokia, Lauryn Hill, Cardi B, Megan Thee Stallion und Doechii. Im Design – einem weiteren von Männern dominierten Bereich – prägten mich besonders die Geschichten von Eileen Gray und Charlotte Perriand, die beide problematische Verhaltensweisen von Le Corbusier erlebten. Durch meine eigene Designpraxis interviewte ich viele beeindruckende Frauen: solche, die Brustkrebs überlebten, Frauen mit Behinderungen und solche aus der Bauindustrie, Polizei, Feuerwehr oder dem Militär. Was mich an ihnen berührt, ist ihre ‹Aggressivität› und kämpferische Haltung.»
lenabernasconi.ch
Lea Debernardi
«Nun, ich würde mit Ionna Vautrin beginnen. Ihre ‹Binic›-Lampe war das erste Designobjekt, das ich mir von meinem eigenen Gehalt gekauft habe. Klein, verspielt, in einem leuchtenden Gelb, das den Raum – und meine Stimmung – erhellte. Genau das liebe ich an ihrer Arbeit: funktional, aber immer mit einer Prise Freude. Dann gibt es Claire Tabouret und ihre Landschaften – gemalt auf Kunstpelz. Ich habe das Gefühl, in diese intensiven Farben eintauchen und mich in ihren Szenerien verlieren zu können. Lustigerweise tragen sowohl sie als auch Ionna Vautrin zur Renovierung von Notre-Dame de Paris bei – sie gestalten die Zukunft, während sie die Vergangenheit ehren – mit
Kraft und Emotion.»
leadebernardi.com