Wort: Paula Mühlena / Bild: Jasmine Deporta
An der Wand montiert, stehend, hängend, entlang von Gehwegen positioniert, tragbar-dynamisch oder grazil im Garten drapiert – Jörg Boner beherrscht die Nuancen der Leuchtensphäre; zahlreiche Designs sind Beleg dafür. Ein Besuch in seinem Studio gibt Einblicke – vom ersten Gedanken über den Prozess bis hin zum ideal verpackten Leuchtkörper des Zürcher Designers. Spot on!

Industrieller Charme, eine weitläufige Fensterfront, hohe Decken und ein textiler Vorhang, der subtil den grosszügigen Raum in Bereiche wie Modellbau, Küche oder Büro teilt. Das Studio von Jörg Boner hinterlässt Eindruck. Hier gestaltet der Designer Stühle, Tische, Betten, Sofas, kleinere Objekte oder etwa Möbel für den öffentlichen Raum. Das Spektrum ist weit. Und so reiht sich auch die Leuchte als Objekt grösster Varianz in seine Produktpalette ein und dokumentiert im Zürcher Atelier regelrecht dreidimensional, wie vielfältig Licht gedacht werden kann.
Plastizität durch Licht
Jegliche Beleuchtung im Studio ist ein Design von Boner. Sofort ins Auge springen dabei die Pendelleuchten der Kollektion «Glarona» für den Schweizer Hersteller Schätti. Im Ensemble aufgehängt, setzen sie Akzente. Und schaut man sich weiter um, erschliessen sich schnell die ergänzenden Tisch-, Steh- und Wandleuchten der Produktfamilie.

«Ein Entwurf startet oft mit Parametern», erzählt Boner. Bei dieser Kollektion für das Glarner Unternehmen ging es darum, einen Plastikdiffusor unsichtbar zu integrieren und die LED-Platine als formgebendes Element zu begreifen. «Früher waren es die Glühbirnen, um die ein Design gedacht wurde. Bei diesem Entwurf dient die zeitgemässe Variante – die LED-Platine – als Grundvoraussetzung», erklärt Boner. Geschickt in feine Blechkörper gefasst, lässt keine der «Glarona»-Leuchten die Lichtquelle direkt sehen. Stattdessen dienen die wohl-geformten Flächen als Projektionsfläche und es entstehen spannende Lichtverläufe auf der von Papierfaltungen inspirierten Leuchte. Bei anderen Modellen lenkt der weisse Korpus das Licht gezielt dorthin, wo es benötigt wird – etwa zum Lesen.
«Ich mag, wenn sich die Leuchten selber inszenieren, wenn das Licht gewissermassen formgebend ist», berichtet Boner im Gespräch über seine Standleuchte «Sidar» (vorherige Seite), die schon seit 2009 von Schätti hergestellt wird. Der plissierte Leuchtenschirm aus Blechlamellen hebt schattige und beleuchtete Stellen im Wechsel hervor – eine aus Licht gemachte Plastizität.

Andere Massstäbe
Boner kann auf langjährige Partnerschaften zurückblicken – nicht nur mit Schätti, sondern auch etwa mit dem Südtiroler Hersteller Ewo, der auf Beleuchtung im öffentlichen Raum spezialisiert ist. «Das Vertrauen wächst mit der Zeit. Man setzt sich zusammen, überlegt gemeinsam, und so entstehen neue Ideen und kollaborative Prozesse. Das macht Spass», erzählt der Designer. Mit der Strassenleuchte «Un» startete die Zusammenarbeit mit dem italienischen Unternehmen, weitere Leuchten für den Aussenbereich folgten und auch jetzt liegen neue Entwürfe auf Boners Tisch in der Binz.
«Leuchten für den öffentlichen Raum gehören allen. Das finde ich so entscheidend», merkt Boner an. Anders als Wohnleuchten müssen Strassenleuchten absolut wasserdicht sein und spezifische Vorgaben zur Lichtintensität erfüllen. Auch ihre Dimensionen unterscheiden sich. «Wir bauen ein Modell, bringen es nach draussen, hängen es irgendwo am Trottoir auf und merken: Mein Gott, das ist viel zu klein», beschreibt Boner, der dabei grundsätzlich, und weit über das Modell hinaus, auch die Produktionsweise und innovative Ansätze im Blick hat. Oft begleitet er ein Projekt sogar bis zur finalen Verpackung, denn auch diese trägt zu einem vollendeten Gesamtbild bei.

Eins zu eins
Ein wandfüllendes Lagerregal im Studio zeigt Boners Werke – viele Stühle, Leuchten und andere Produkte. Auf den ersten Blick fällt es nicht auf, aber die kohärente Farbgebung verrät es: Mehr als die Hälfte der Objekte besteht aus Karton. So raffiniert, so akkurat: Von jedem vielversprechenden Entwurf entstehen massstabsgetreue Modelle, oft mehrere. «Pro Jahr verbrauchen wir eine ganze Palette, auf der sich etwa hüfthoch Graupappe stapelt», erzählt Boner, der mit Begeisterung auch selber Modelle baut. Seit einiger Zeit gibt es nun einen Lasercutter im Studio, der die manuelle Schneidarbeit abnimmt. Das Kleben übernimmt der preisgekrönte Designer gern noch selber. «Ich liebe es, Modelle zu bauen, ich bin dann wie ein Lego-Spieler. Man lernt dabei auch ganz viel», sagt Boner und wendet sich dem nächsten Projekt zu.

Über Jörg Boner
Seit 2001 entwirft der Zürcher Designer Produkte für Marken wie etwa Schätti, Karimoku New Standard, Ewo, Stattmann, Wittmann, Cor und Riposa. 2011 erhielt er den Swiss Grand Prix Design. Werke von ihm sind in den Sammlungen des Centre Pompidou, des Victoria & Albert Museum und des Museums für Gestaltung Zürich vertreten.