Wort: Paula Mühlena / Bild: ZVG
Solarenergie – aber anders. Keine rechteckigen Platten auf Dächern, sondern jegliche Oberfläche als potenzielle Solaranwendung. Dieses neue Narrativ und eine frische Ästhetik prägen die Projekte von Marjan van Aubel und ihrem Studio in Amsterdam. Ihr Ziel: eine fossilfreie Zukunft und Solardesigns, die eigenständig erzählen, wie bedeutend, aber auch schön diese Technologie ist.
Die Sonne liefert in nur einer Stunde mehr Energie an die Erde, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht – ein Fakt, der Marjan van Aubel inspirierte, sich ganz der Solarenergie zu widmen.
Formgewandt
Solarenergie wirkt oft technisch und ökonomisch: Gespräche kreisen um Effizienz oder die Installation grosser, abstrakter Paneele. Van Aubel hingegen sieht weit mehr in dieser unerschöpflichen Energiequelle und ihrer Umwandlung. Sie projiziert Solartechnologie stilvoll auf uns unmittelbar Umgebendes. «Ich träume gerne gross», merkt die preisgekrönte Solardesignerin an, «ich sehe fast jede Oberfläche um mich herum als potenzielle Fläche, um Solarenergie zu integrieren. Angefangen bei Objekten in unseren Wohnräumen, über Hausfassaden, Autos und Strassen.»

Der «Current Table» ist so ein Beispiel: Er ist das weltweit erste Möbelstück, das Energie im Innenraum gewinnt. Seine integrierten Solarzellen nutzen die Fähigkeit von Farben, elektrischen Strom zu erzeugen, und ahmen dabei wie fast alle Projekte der Niederländerin den Prozess der Photosynthese nach. Selbst bei diffusem Licht speichert der Tisch ausreichend Energie, um etwa ein Mobiltelefon aufzuladen. Eine begleitende App zeigt die erzeugte Strommenge auf und vermittelt ein direktes Verständnis für die Umwandlung von Licht in Elektrizität.

Sehr viel symbolischer, doch ebenso überraschend sind die Projekte «Ra» und «Sunne» – ein Wandteppich und eine Leuchte. Im Fenster hängend, fangen sie tagsüber das Sonnenlicht ein; abends erstrahlen sie und geben dem Raum das natürlich gesammelte Licht zurück. Besonders «Sunne», die oval geformte, an einen Horizont erinnernde Leuchte, sticht durch Originalität hervor. Drei Lichtmodi imitieren natürliche Lichtstimmungen wie Sonnenauf- und -untergänge. «Mit ‹Sunne› wollten wir ein Objekt schaffen, das uns täglich umgibt», erklärt van Aubel. «Wir wollten die Sonne buchstäblich in die Häuser der Menschen bringen.» Dazu benötigt die Leuchte keinen Klebstoff, ihre Solarzellen halten 40 Jahre lang und integrierte Batterien können ganz einfach ersetzt werden. So artikuliert auch dieses mehrfach ausgezeichnete Projekt eigenständig die weitreichenden Potenziale von Solarenergie, wenn diese umgedacht und wohlgestaltet nah am Menschen stattfindet.

Für das Narrativ
Neben der Entwicklung von konkreten Produkten arbeitet van Aubel mit ihrem Studio auch an Installationen, Ausstellungen oder Kunstwerken. Zudem lancierte sie 2022 gemeinsam mit Pauline van Dongen die Solar Biennale in Rotterdam. Ein Event, bei dem Expertinnen und Interessierte unterschiedlichster Bereiche in einer Art Denkfabrik zusammenkommen. Van Aubel erklärt: «Das Ziel ist es, den Übergang zu einer fossilfreien Zukunft zu beschleunigen und zu gemeinsamen Lösungen beizutragen, indem Solartechnologien präsentiert und Diskussionen angeregt werden.» Die nächste Solar Biennale findet vom 19. bis zum 21. März 2025 in der Schweiz statt (mehr dazu am Ende des Textes).

Auch auf Papier hebt die international führende Solardesignerin das Potenzial der Technologie hervor. Ihr Buch Solar Futures soll, so van Aubel, alles andere als trocken oder langweilig sein – es markiert einen weiteren Schritt hin zu einem breiten, demokratischen Zugang zu Solarenergie. Dabei präsentieren die 288 Seiten verschiedene Perspektiven auf das Thema und stellen die aktuellen Vorreiter des Feldes vor. In drei Teilen informiert das Buch über die Vergangenheit, den Status quo und zukünftige, innovative Potenziale. «Ich hoffe, die Leserinnen und Leser zu inspirieren, sich das transformative Potenzial der Solarenergie bei der Gestaltung unserer Zukunft vorzustellen», erklärt van Aubel. Das Buch richtet sich dabei nicht nur an Designschaffende, sondern an alle Interessierten.

«Ich bin optimistisch», so die Niederländerin, «dass Solarenergie zu einem integralen, natürlichen und schönen Teil unseres Lebens wird.» Sie zeichnet eine Zukunft vor, in der wir ein Gebäude als nicht vollständig funktional betrachten, wenn es nicht seine eigene Energie erzeugt.
Impulse und Visionen, die Mut machen und den Blick auf eine strahlende Zukunft richten.
Die nächste Solar Biennale findet vom 19. bis zum 21. März in der Schweiz statt. Gastgeber ist das Mudac in Lausanne. Das Programm umfasst spannende Vorträge und interaktive Workshops. Parallel wird die Ausstellung «Soleil-s» eröffnet, die bis zum 21. September 2025 in Lausanne zu sehen sein wird.
Buchtipp
Solarenergie braucht ein neues Narrativ: Die preisgekrönte Solardesignerin Marjan van Aubelbeleuchtet in ihrem Buch spielerisch die Geschichte, den aktuellen Stand und die Zukunft dieser Energiequelle und lässt dabei die Stimmen führender Expertinnen und Experten einfliessen.
Solar Futures: How to Design a Post-Fossil World with the Sun, Marjan van Aubel, Jap Sam Books, 288 Seiten, in Englisch, ISBN:978-94-92852-65-6