«Es braucht ein grosses Wissen über Pflanzen»

Piero Lissoni, einer der bekanntesten Designer Italiens, widmet sich mit seinem internationalen Team grünen und ökologischen Visionen.

Bild: ZVG

Piero Lissoni, durch den Klimawandel wird es in den Metropolen immer heisser. Begrünte Architektur könnte hier Abhilfe schaffen. Wie offen sind Auftraggeber für grüne Architektur?
Unsere Auftraggeber und Bauherrschaften zeigen sich einer nachhaltigen und ökologischen Planung gegenüber immer offener. Demzufolge wird grüne Architektur bei uns je länger je mehr ganz explizit nachgefragt. Zudem bin ich überzeugt davon, dass es in der Verantwortung der Architektinnen und Planer liegt, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und zu propagieren.

Können Sie uns ein Beispiel eines Projektes nennen?
Ich denke da beispielsweise an unser Projekt Shangri-La Shougang Park in Peking. In einem Land wie China ist es uns gelungen, den Kunden zu überzeugen, das bestehende Industriegebäude zu erhalten, anstatt dieses abzureissen. Ein Rückbau wäre auf Projektebene sicherlich viel einfacher gewesen. Aber wir haben das bestehende Tragwerk des Hauptgebäudes beibehalten und nur von seinem Inneren befreit. Dadurch wurde ein Skelett aus Betonwänden und Stahldachstühlen freigelegt, das die Spuren der Zeit zeigt, die es in eine faszinierende Kulisse verwandelt hat.

Wie integrierten Sie bei diesem Projekt Pflanzen?
Eine grossflächige Glasfassade umhüllt die Struktur und versieht das Gebäude mit einer transparenten Verkleidung. Dadurch gelang es den ursprünglichen Stil der Architektur beizubehalten. Gleichzeitig können das Licht und die Temperatur gesteuert werden. So legten wir im Inneren einen grossen und modernen Wintergarten mit viel Grün an.

Der Insel- und Stadtstaat Singapur setzt seit Jahren erfolgreich auf begrünte Hochhäuser. Warum ist die asiatische Metropole im Vergleich mit europäischen Städten so fortschrittlich?
Singapur ist eines der reichsten und am dichtesten bevölkerten Länder der Welt. Die Hauptstadt gehört zu den Top 20 der Städte mit den meisten Wolkenkratzern. Keine einzige Stadt Europas befindet sich in dieser Klassifizierung. Die asiatischen Metropolen sind mit Sicherheit ein Experimentierfeld für diese Art von Architektur. Ein interessantes Detail: Der grösste Teil der Projekte wurde europäischen Architekturstudios anvertraut.

Wo sehen Sie bei grünen Hochhäusern die grössten Herausforderungen im Entwurf, bei der Umsetzung und im Unterhalt?
Die grösste Herausforderung liegt darin, die Kohlendioxidemissionen nicht nur während des Realisierungsprozesses maximal zu reduzieren, sondern auch danach. Es gibt diesbezüglich viele Variablen, die mitspielen – etwa das lokale Klima, der Budgetrahmen, die Typologie des Gebäudes wie auch die Vorstellungen und Ansprüche der Auftraggeber.

Inwiefern setzen Sie bei Ihren Architekturprojekten auf die Integration von Pflanzen?
Wir arbeiten seit eh und je mit einem multidisziplinären Ansatz. Für jedes von uns realisierte Projekt ist ein Team von Landschaftsarchitektinnen und -architekten im Einsatz. Denn es braucht ein grosses Wissen über Pflanzen, um diese gezielt einzusetzen. Nur durch profunde Kenntnisse kann Wohlbefinden generiert und ein optimaler Unterhalt garantiert werden. Wir sind überzeugt, dass Architektur und Landschaftsarchitektur eine einzige Disziplin sein sollte. Wir lassen beide Bereiche nahtlos ineinandergreifen.

Beim internationalen Architekturwettbewerb Skyscraper Challenge reichten Sie 2020 einen Entwurf eines vertikalen Ökosystems ein. Wie lassen Sie die Erkenntnisse daraus in zukünftige Projekte einfliessen?
Die Teilnahme an Wettbewerben dient uns dazu, neue Ideen zu entwickeln und auszuarbeiten. Sie sind das kreative und stimulierende Elixir, das wir bei der Recherche und beim Prüfen von avantgardistischen Technologien nutzen. Dadurch gelingt es uns zu eruieren, wie sie zum Einsatz kommen könnten – mit welchen Resultaten, Kosten und Vorteilen. Die Erkenntnisse daraus setzen wir in den realen Projekten ein.

lissoniandpartners.com

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