Aurel Aebi von Atelier Oï im Gespräch über die Bedeutung der Küche, stimmige Materialkonzepte und die neue Linie «Matt Schwarz» von Electrolux.

Aurel Aebi, für was steht die moderne Küche heute?
Die Küche hat sich stark verändert: Früher war es ein abgeschlossener Arbeitsraum, heute ist daraus ein offener Wohnraum geworden. Von einer Cuisine laboratoire mit viel Inox und Industriecharakter hat sie sich zu einem Herzstück der Behausung entwickelt. Die Küche ist zu einer wohnlichen Insel, zu einem Tagesraum geworden.
Welche Funktionen erfüllt der Aufenthaltsort Küche?
Die Küche ist raumsoziologisch sehr interessant. Man trifft sich dort, um einen Apéro zu geniessen, gemeinsam zu kochen, zu essen und zu diskutieren. Hat man Gäste eingeladen, so versammelt sich die Schar zu Beginn meist in der Küche. Die Sitzordnung ist noch nicht definiert, man kann sich frei bewegen. Dank der offenen Raumgestaltung ist der Gastgebende während des Kochens nahe bei den Gästen. Und beim Ausklingen eines geselligen Abends trifft man sich erneut in der Küche – grosszügiges Haus hin oder her. Es ist ein geselliger Ort, der über eine grosse Anziehungskraft verfügt. Es ist ein Raum voller Dynamik.
Bei einer Küche sind viele Elemente vorgegeben. Wie kommt man trotzdem auf unkonventionelle, neue Lösungen?
Vieles ist vordefiniert, das ist so. Einerseits durch die Achsenmasse von 60 cm, die auf die Geräte abgestimmt sind. Andererseits durch die Sanitärmasse für die Wasserhähne und Abläufe. Wie gestaltet man nun also eine Küche neu? Etwa indem man die Küche durch eine chromatische Gestaltung im Raum verschwinden lässt. Oder indem man ein Fugenbild à la Mondrian wählt. Oder indem man die Küche aus dem Boden wachsen lässt. So entsteht eine richtiggehende Landschaft. Auch indem man mit den Horizonten spielt, erzielt man neue Effekte.

Bei Atelier Oï ist das Material von zentraler Bedeutung und steht zu Beginn eines Projektes im Fokus. Wie entwickeln Sie Materialkonzepte, etwa für eine Küche?
Es hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt wir zu einem Projekt beigezogen werden. Manchmal sind wir Innenarchitekten, manchmal Architekten. Wenn wir als Architekten engagiert sind, dann können wir ganzheitlich planen. Was ideal ist für uns, denn wir verfolgen eine gesamtheitliche transdisziplinäre Vorgehensweise. Als Erstes erarbeiten wir in Zusammenarbeit mit der Kundschaft ein umfassendes Materialkonzept. Um die Materialien zu bestimmen, steht uns unsere umfangreiche Materialothek zur Verfügung. Dort wählen wir – wie ein Koch auf dem Markt – unsere Favoriten aus. Unsere Sammlung umfasst Materialien von der Fassadengestaltung bis zur Küchenabdeckung. Die Wahl des Bodens und der Decke ist grundlegend. Sind diese Materialien bestimmt, definiert sich daraus das Raumbild. Danach geht es um die restlichen Materialien und Farben der Küche. Wobei sich die Farbe bei uns meist aus dem Material – Metall oder Holz – ergibt.
Welche Rolle spielen die Geräte bei der Küchengestaltung?
Heute sind die Geräte – abgesehen vom Ofen – meist nicht mehr erkennbar, sondern hinter Küchenfronten verborgen. Diese Fronten werden zu einem prägenden Raumbild, rhythmisiert durch das Fugenbild. Es entsteht eine Komposition, die nach Wunsch angeordnet und gestaltet werden kann.
Welche Anforderungen müssen Küchengeräte erfüllen?
Küchengeräte sind zu beeindruckenden Helfern geworden. Sie sind vergleichbar mit Smartphones, die hinter ihrer unscheinbaren Oberfläche eine ganze Welt an Funktionen verbergen. Die Devise lautet heute, möglichst wenig Technik sichtbar zu machen. Substitution als Designstrategie quasi.

Electrolux hat kürzlich eine neue Linie von Geräten in Mattschwarz lanciert. Wodurch zeichnet sich diese aus?
Heute sind nur noch Öfen, Steamer oder Mikrowellen sichtbar, die anderen Geräte sind verblendet. Das Electrolux-Designteam, das für die Entwicklung dieser sichtbaren Geräte zuständig war, hat eine dezente Linie entwickelt, die sich gut ins additive Gestaltungskonzept einbetten lässt. Die Geräte leisten ihre Dienste hochpräzise, nehmen sich aber zurück. Von aussen wirkt das Design schlicht und zurückhaltend. Auf die Grundform reduziert. Ein mattschwarzer Kubus mit einem Materialwechsel und mit einem Griff. Das Gerät wirkt wie ein Auge in einem Gesicht, was mit Tiefe und Reflexion zu tun hat. Um die mattschwarze Optik hervorzurufen, wurde die Aussenseite des Glases im Ätzverfahren behandelt; die Innenseite mit schwarzer Farbe lackiert.
Sie wurden angefragt, diese neue Geräte-Linie von Electrolux mit dem Blick eines externen Designers zu betrachten. Was sehen Sie in diesen Geräten?
Ich stelle eine Vorgehensweise fest, die sich mit unserer eigenen deckt, nämlich vom Material auszugehen. Gerade bei so ausgeklügelten Geräten ist die Wahl des Materials ausschlaggebend. Denn Glas ist nicht einfach Glas. Zudem spielt die Oberflächenbehandlung eine grosse Rolle. Bei sandgestrahltem Glas etwa wird die Oberfläche rau und sandig. Unter dem Mikroskop betrachtet, wirkt sie wie eine Berglandschaft. Bei geätztem Glas, das bei dieser Linie eingesetzt wurde, wird die Oberfläche hingegen mit Säure behandelt. In der Vergrösserung hat diese Ähnlichkeiten mit einer hügeligen Landschaft im Emmental. Ersteres ist für die Küche überhaupt nicht geeignet, da sich das Fett ablagert und die Reinigung erschwert. Das geätzte Glas hingegen lässt sich leicht reinigen und ist unempfindlich gegen Fingerabdrücke.
Vorhin erwähnten Sie die transdisziplinäre Vorgehensweise von Atelier Oï. Können Sie uns diese erläutern?
Mit meinen beiden Compagnons Armand Louis und Patrick Reymond – wir gründeten Atelier Oï 1991 – verfolge ich die Idee des Gesamtkunstwerkes. Wir ziehen keine Grenzen zwischen Architektur, Innenarchitektur und Design. Denn in einem Projekt werden alle Disziplinen sichtbar. Von der Fassadengestaltung, über die Materialisierung bis hin zum Türgriff – es ist ein Zusammenspiel. Entsprechend ist auch unser 40-köpfiges Team zusammengestellt. Von der Grafikerin, dem Szenografen, dem Innenarchitekten über die Architektin bis hin zum Designer. All diese Berufsleute verfolgen einen anderen Ansatz, was zu neuen, einzigartigen, unkonventionellen Lösungen führt. Wenn wir uns abschliessend fiktiv nochmals zurück in die Küche begeben: Wir bieten kein Convenience an, sondern bereiten alles frisch zu. Angefangen beim Besuch auf dem Markt, wo wir bereits genau wissen, welche Kartoffelsorte wir wählen werden.