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Wider den Verfall

Wort: Bernadette Bissig / Bild: Marion Nitsch
Die Ferienwohnungen der Stiftung Ferien im Baudenkmal erfreuen sich grosser Beliebtheit – seit 20 Jahren. Ein Grund für ein Gespräch.

Fellergut Die in den 1970er-Jahren erbaute Hochhaussiedlung Fellergut bei Bern beherbergt eine Ferienwohnung des FiB. Die Hochhauswohnung mit Blick bis zu den Alpen ist beinahe im Originalzustand erhalten. Dieses Objekt ist ein Beispiel, wie breit die Palette der Stiftung ist.

Schweizweit übernimmt die Stiftung Ferien im Baudenkmal (FiB) dem Verfall ausgesetzte und vom Abriss bedrohte Baudenkmäler, restauriert sie sanft und gibt ihnen als Ferienobjekte eine sichere Zukunft. Anlässlich des 20-Jahre-Jubiläums der Stiftung haben wir uns mit der Architektin Claudia Thommen, Verantwortliche Architektur und Baukultur beim FiB, über den Wert von kulturell bedeutenden Bauten sowie über die Ziele der Stiftung unterhalten.

Claudia Thommen, wie hat sich die Stiftung in den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens entwickelt?
Am Anfang war unser Angebot ein Nischenprodukt. Über die Jahre hat die Visibilität stark zugenommen. Nun können wir von Jahr zu Jahr mitverfolgen, wie wir sichtbarer werden. Wir starteten mit fünf Objekten, seither sind wir im Wachstum begriffen. Zurzeit bieten wir zwölf eigene Bauten an und 47 Baudenkmäler von Dritten. Zudem können wir nun beobachten, wie sich die Wirkung unserer Tätigkeit entfaltet. Als Beispiel: Wenn wir Häuser in Dorfkernen sanieren, tragen wir gleichzeitig dazu bei, eine Gemeinde, gar eine ganze Region, aufzuwerten. So kann es vorkommen, dass das Dorflädeli oder eine Postautolinie wieder rentiert. Dank der Tatsache, dass wir einen wesentlichen Beitrag zur Rettung von ganzen Dörfern beitragen, konnten wir wertvolle Mitstreitende gewinnen. Dies hilft uns auch bei der Finanzierung von neuen Projekten.

Die Stiftung besitzt eindrückliche Objekte. Wie kommt es dazu?
Über unsere Webseite treffen wöchentlich Meldungen ein. So sind wir momentan in der privilegierten Lage, dass wir nicht aktiv auf Objektsuche gehen müssen. Zum einen vermitteln uns die kantonalen Sektionen des Schweizer Heimatschutzes Häuser. Zum anderen empfehlen Denkmalpflegende unsere Stiftung an Private – viele werden jedoch auch über die Medien auf uns aufmerksam. Sie möchten ihre Baudenkmäler über unsere Plattform vermieten – entweder ganz konkret ein bereits umgebautes Haus oder eines, das sie renovieren wollen. Es wenden sich zudem Erbende an uns, die der Stiftung ein Haus überlassen wollen – ein Haus, das ihnen am Herzen liegt, jedoch ihre finanziellen Mittel übersteigt. Wenn es für uns passt, kommen wir dadurch in den Genuss einer Schenkung.

Haus Tannen Das Objekt in Morschach ist ein mittelalterlicher, 1341 erbauter, zweigeschossiger Blockbau aus Fichtenholz. Es ist eines der ältesten Holzhäuser des Kanton Schwyz und Europas.

Der Anteil von Dritthäusern ist grösser als jener der stiftungseigenen Häuser. Wie kommt das?
Aus Gründen der Finanzierung ist es uns als Stiftung nicht möglich, mehr als ein Haus pro Jahr oder pro zwei Jahre zu renovieren. Nachdem uns ein Haus geschenkt, symbolisch überlassen ober im Baurecht übergeben wird, folgt ein Fundraising. Und das braucht Zeit. Denn als gemeinnützige Stiftung verfügen wir kaum über eigene finanzielle Mittel. Da es jedoch so viel fantastische Baukultur gibt und wir ein breites Angebot schaffen wollen über Regionen, Epochen und Stile hinweg, erweitern wir unser Angebot mit Objekten Dritter. Wir prüfen diese genau, so, als würden wir sie selber umbauen. Wenn sie unseren Anforderungen entsprechen, dann nehmen wir die Baudenkmäler in unser Angebot auf.

Welche Bedingungen muss ein Haus erfüllen, damit es für die Stiftung interessant ist?
Das Gebäude muss bauhistorisch relevant sein. Das kann von einfacher, ruraler Architektur bis zum Patrizierhaus reichen. Im Weiteren legen wir Wert auf eine ausgewogene Zusammensetzung unserer Baudenkmäler. Wir fragen uns: Ist die Region noch nicht vertreten? Ist es ein Stil, der bei uns eine Lücke im Angebot füllt? Ebenso entscheidend für eine Aufnahme ist jedoch auch, wie ein Objekt renoviert wurde, oder wie es saniert werden soll.

Hat sich das öffentliche Bewusstsein für historisch wertvolle Baudenkmäler geschärft?
Ja, ich glaube schon. Durch das wachsende Angebot sind wir präsenter. Dadurch lernen mehr Gäste unsere Häuser kennen. Und Architektinnen und Architekten – auch solche, die noch nie für uns gearbeitet haben –, empfehlen unsere Objekte als Referenzen. So entsteht ein Bewusstsein. Zudem kommt uns ein gesellschaftlicher Trend entgegen: Man denkt nachhaltiger und es ist gesellschaftsfähig geworden, in der Schweiz Ferien zu machen.

Wie muss der Zustand eines Hauses beschaffen sein, damit eine Renovation infrage kommt?
Das Retten von Häusern ist unser Stiftungszweck. Darum schreckt uns kein Zustand ab. Wenn ein Haus noch steht, dann ist es meist zu retten. Beim Haus Tannen in Morschach etwa mussten wir eine ganze Fassadenseite neu aufbauen. Wir realisieren jedoch im Vorfeld in jedem Fall eine Machbarkeits- oder Vorprojektstudie, um die Kosten ungefähr beziffern zu können. In der Folge beurteilt der Stiftungsrat, ob ein Projekt für uns realisierbar ist.

Die Renovationen sind komplex. Wie läuft ein solcher Prozess ab?
Wir orientieren uns an den Leitsätzen der Denkmalpflege. Zudem betrachten wir jedes Haus individuell. Bei manchen Häusern wurden im Laufe der Zeit bereits Änderungen vorgenommen oder Bauteile mussten ersetzt werden. In solchen Fällen achten wir darauf, dass an dieser Stelle wieder neue Lösungen integriert werden und der historische Teil belassen wird. Ausserdem ist es essenziell, im Vorfeld eine exakte Bauuntersuchung durchzuführen und sauber zu dokumentieren. So können wir eruieren, wie etwas gewachsen ist und was es braucht, um es auf den heutigen Wohnstandard zu bringen. Wir achten etwa darauf, dass die Küche in der Küche bleibt – dort, wo früher gekocht wurde. Ein entscheidender Punkt ist meist, wo man das Badezimmer unterbringen kann. Denn Nasszellen gab es früher nicht. Jedes Haus erzählt uns, was mit ihm geschehen kann – mit ein Grund, warum jedes Haus sehr individuell aussieht.

Gesetzt den Fall, es muss erneuert werden. Wie verbinden Sie Bestehendes mit Neuem?
Es ist immer unser Ziel, so viel wie möglich zu erhalten. Es kann jedoch vorkommen, dass gewisse Teile eines Gebäudes aufgrund ihres Zustandes ersetzt werden müssen. Dann versuchen wir, dies in Anlehnung an traditionelles Handwerk zu lösen. Stets so, dass man das Neue erkennt.

Und welche Richtlinien gelten bei der Innenausstattung?
Das Baudenkmal steht im Mittelpunkt. Wir wollen mit der Einrichtung nicht das Bauwerk konkurrenzieren, sondern setzen auf die Devise «weniger ist mehr». So richten wir mit ausgewählten Einzelstücken ein, teils auch mit bestehendem Mobiliar der Häuser. Etwa mit Sesseln, Höckerli und Stabellen oder einer Bettstatt, die wir auf heutige Masse anpassen. Zusätzlich ergänzen wir mit zeitgenössischen Möbeln, vorzugsweise aus der Schweiz oder aus nachhaltigen europäischen Produktionen.

Claudia Thommen Die Architektin arbeitet seit fünf Jahren als Verantwortliche für Baukultur und Architektur bei der Stiftung Ferien im Baudenkmal. Davor war sie 20 Jahre in der Architektur mit Schwerpunkt Bauen im Bestand tätig.

Nach 20 Jahren FiB – welche Visionen verfolgen Sie für die Zukunft?
Wir wollen gewisse Epochen stärker einbinden oder zusätzlich integrieren. Die neuste Wohnung befindet sich bei Bern in einem Hochhaus aus den 1970er-Jahren. Damit wollten wir den Fokus auf eine neuere Epoche legen. Denn auch das ist Baukultur. In dieser Zeitspanne möchten wir unser Angebot noch ausbauen. Aber auch bei den 1940er-, 1950er- oder 1960er-Jahren, wo wir aktuell eine Lücke haben. Denn wir wollen ganz gezielt die gesamte Bandbreite der Schweizer Baukultur zeigen. Dabei streben wir eine ausgewogene Vertretung der Regionen und der Epochen an. Dadurch leisten wir einen Beitrag in der Debatte um den Erhalt von Baukultur. Und nicht zuletzt wollen wir auch mit eigenen Objekten weiterwachsen.

Kehren wir zum Schluss ins Jubiläumsjahr zurück. Sie veranstalten Tage der offenen Tür. Wen sprechen Sie damit an?
Die Tage der offenen Tür richten sich im Allgemeinen an ein breites, im Speziellen an ein baukulturell affines Publikum sowie an Leute aus der Region, wo das Interesse jeweils sehr gross ist. Dadurch bieten wir auch Einheimischen die Möglichkeit, unsere Häuser zu besichtigen. Ein Angebot, das sehr gut ankommt und Teil der Sensibilisierung ist.

Von April bis November 2025 öffnen 20 Baudenkmäler ihre Türen für Interessierte:
ferienimbaudenkmal.ch/20-jahre


 

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