Wort: Anina Cammarota / Bild: Gianni Basso, Vega Mg
Während der diesjährigen Milano Design Week war ihr Name allgegenwärtig: Elisa Ossino. Mit ihrer poetischen Präzision verbindet sie Architektur, Design und Kunst zu einer disziplinübergreifenden Sprache. Wir hatten die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen ihres Mailänder Studios zu werfen – dort, wo sie ihren Visionen, gemeinsam mit ihrem Team, Gestalt verleiht.

Elisa Ossino lebt und arbeitet in Mailand – einer Stadt, die für sie mehr als nur Wohnort ist. Die stetigen Eindrücke der Metropole machen Mailand zu einem aktiven Teil ihres kreativen Prozesses. «Ich versuche, diese Fülle an Impulsen in eine Designpraxis zu übersetzen, die nicht nur abbildet, sondern interpretiert», sagt sie. Dennoch prägen ihre sizilianischen Wurzeln bis heute ihren Blick auf Raum, Licht und Form – eine besondere Sensibilität, geformt durch die Insellage und das Bewusstsein kultureller Zugehörigkeit. Dabei ist der Dialog zwischen archaischen Wurzeln und modernistischer Strenge Grundlage ihres Designverständnisses.
Auch ihre berufliche Laufbahn begann in der italienischen Industriehauptstadt. Das Studium am Politecnico di Milano war mehr als nur formale Ausbildung. In einem lebendigen Umfeld mit Künstlerinnen, Soziologen und Philosophinnen entwickelte sich jener interdisziplinäre Zugang, der ihre Arbeit bis heute prägt. «Sprache ist für mich zentral, wenn es um Design geht – nicht nur in Form von Wörtern oder visuellen Codes, sondern als komplexes System, das unsere Wahrnehmung der Welt strukturiert», sagt Ossino. Ähnlich behandelt sie Farbe als ein wichtiges Kommunikations- und Gestaltungsmittel: Sei es durch einen intensiven, pointierten Einsatz oder durch reduzierte, monochrome Paletten, die Materialität, Textur und Licht hervorheben.

Ossino versteht ihr Schaffen als Lesen zwischen den Zeilen der Realität – und als Deutung derselben durch Gestaltung. Für sie wird Design so zum Akt der Übersetzung: Bedürfnisse und gesellschaftliche Anforderungen verwandeln sich in Formen, die Bedeutung schaffen. Diesen Anspruch verfolgt sie auch mit ihrem Studio.
Interdisziplinär und konzeptstark
2006 gründete Ossino ihr Mailänder Studio, das in einem Gebäude aus den 1930er-Jahren zwischen dem alten Fiera-Viertel und dem neuen City Life-Quartier liegt – an der Schnittstelle von Tradition und Urbanität. Dieser Dialog von Alt und Neu setzt sich im Interieur fort: Prägnante Einbauschränke mit geometrischem Schwarz-Weiss-Muster bilden einen Kontrast zur klassischen Architektur des Raums. Gemeinsam mit rund einem Dutzend Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Disziplinen formen sich projektbezogene Teams, die jeweils spezifisches Know-how zusammenführen. Der kreative Prozess beginnt dabei stets mit Ossinos eigener Recherche und einem übergeordneten Konzept, das sie dem Team vorstellt. «Ein Projekt startet für mich immer mit einem Gedanken», erläutert sie. Dieser Ansatz spiegelt sich in den vielfältigen Arbeiten wider – von privaten Wohnräumen bis hin zu Installationen, die sie unter anderem auf der Milano Design Week 2025 präsentierte.
Von Inszenierung und Bedeutung
Die Installation «Time and Matter» für V-Zug reflektiert die sich wandelnde Beziehung von Technologie, Design und Materialität – zentrale Themen heutiger Gestaltung. In der Pinacoteca di Brera verband Ossino V-Zugs Minimalismus und Nachhaltigkeit mit suggestiven Materialien wie gespaltenem Stein, Spiegeln und handgeformten Felsbrocken. Monolithische Totems beherbergten die Geräte und verwandelten sie in Skulpturen – ein symbolischer Begegnungsraum, in dem sich Denken in Empfindung übersetzt.

Die immersive Installation «Banquet Echoes», ebenfalls für den Schweizer Hersteller, war als Gesamtkunstwerk aus Technologie, Kunst, Performance und Design konzipiert und wurde im V-Zug-Studio im Brera-Quartier in Mailand gezeigt. Im Zentrum stand ein skulpturaler Tisch mit geometrischen Würfeln, darauf handgefertigte Teller und Tabletts, beleuchtet von einem übergrossen Kronleuchter. Das Setting wurde kulinarisch bespielt und mit einer Theaterperformance zum Leben erweckt – inspiriert von der Dada-Bewegung in Zürich. «Kulinarik, Design und visuelle Poesie verbanden sich zu einem Bankett als multisensorische Erzählung – mit Klang, Bewegung und Geschmack», fasst Ossino zusammen.
Diese Beispiele zeigen, wie Ossinos Arbeit an der Schnittstelle von Vision und Funktion stimmungsvolle Dimensionen annimmt und Installationen Nutzbarkeit verleihen.
Ihr Verständnis von Gestaltung verbindet Funktion, Bedeutung und Sinnlichkeit. Oder wie sie selbst sagt: «Design ist ein Instrument, die Welt zu lesen – um Veränderungen zu gestalten. Es betrifft nicht nur Objekte, sondern auch Denken, Ethik und unsere Beziehungen zu Raum, Zeit und Menschen.»
elisaossino.it

