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Gewichtiges Glas

Wort: Anina Cammarota / Bild: Jan Tichy
Auf den Spuren von Lucia Moholy: Eine transparente Installation des Künstlers Jan Tichy und eine Ausstellung in der Fotostiftung Schweiz erinnern an die Fotografin.

In einem dunklen Raum, der wie eine Blackbox wirkt, verschmelzen Farben und durchsichtiges Glas zu einer berührenden, tiefgreifenden Installation – dem Werk «No. 30 (Lucia), 2016».

Die Fotostiftung Schweiz widmet Lucia Moholy eine Ausstellung: «Lucia Moholy – Exposures». Die lange verkannte Fotografin prägte mit ihren Bildern das Bauhaus-Image nachhaltig. Auch die Ausstellung «Weight of Glass» von Jan Tichy, die kürzlich in den Oxyd-Kunsträumen zu sehen war, ist eng mit Moholy verbunden. Mit Installationen, Videos und Fotografien schafft Tichy eine kraftvolle Reflexion, die über Moholys Erbe herausgeht.

Minutiöse Spurensuche
Tichys Arbeiten zeichnen sich durch die Aufarbeitung historischer Dokumente aus, die die Grundlage seines künstlerischen Schaffens bilden. Der gebürtige Prager verbindet Fragmente der Geschichte und eröffnet neue Perspektiven auf Künstlerinnen und Künstler im historischen Kontext. Diese Herangehensweise durchzieht sein gesamtes Werk – auch in seiner Hommage an Lucia Moholy. Tichys Auseinandersetzung mit Moholys Leben und Werk bildet den Kern seiner künstlerischen Reflexion. Damit rückt er eine Künstlerin ins Zentrum, deren Beitrag zur Fotografie lange Zeit im Schatten anderer stand.
Die 1894 in Prag geborene Moholy beherrschte ein breites Spektrum an Fähigkeiten über die Fotografie hinaus. Nach einem Studium der Philosophie, Philologie und Kunstgeschichte arbeitete sie als Redaktorin und Lektorin, bevor sie Anfang der 1920er-Jahre nach Berlin zog. Dort lernte sie den Künstler László Moholy-Nagy kennen, den sie später heiratete. Gemeinsam experimentierten sie mit Fotografie – das berühmte Fotogramm ihrer beiden Profile begründete den Ruhm ihres Mannes, wobei Moholys Anteil daran erst heute bekannt ist. Auch als László Moholy-Nagy als Professor ans Bauhaus Dessau berufen wurde, entstanden viele Arbeiten in symbiotischer Zusammenarbeit – ein Begriff, den Moholy selbst später verwendete. Doch während ihr Mann gefeiert wurde, blieb Moholys Beitrag im Schatten.

Künstler und Dozent Jan Tichy arbeitet an der Schnittstelle von Video, Skulptur, Architektur und Fotografie. Die Faszination für die Arbeit mit Archiven zieht sich dabei durch seine vielfältigen Werke.

Verschwunden, aber unvergessen
Tichys Installation «No. 30 (Lucia), 2016» setzt sich mit einem prägenden Lebensabschnitt Moholys auseinander. Im Jahr 1933 musste sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft vor dem Nationalsozialismus aus Berlin fliehen und liess dabei hunderte von Glasplattennegativen zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten viele ihrer Fotos unerwartet wieder auf – in Büchern, Ausstellungen und sogar im Katalog der Bauhaus-Ausstellung im Museum of Modern Art in New York. Es waren Reproduktionen jener verloren geglaubten Negativen. Abgedruckt, ohne Fotocredit – ohne ihren Namen. Walter Gropius, ehemaliger Mitbegründer des Bauhauses, der in die USA emigrierte, leugnete lange, im Besitz der Glasplattennegative zu sein, und verweigerte ihre Rückgabe. Erst nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen erhielt Moholy in den 1950er-Jahren einen Teil der Negative zurück. 330 davon sind bis heute verschollen.
Die 330 Glasplatten in Originalgrösse der Negative, wie sie in Tichys Installation gezeigt werden, symbolisieren die verschollenen Aufnahmen. «Weight of Glass» ist jedoch nicht nur eine Hommage an das verlorene künstlerische Werk, sondern auch ein Sinnbild für das, was Geflüchtete einst und heute gezwungen sind, zurückzulassen.

«Lucia Moholy – Exposures» ist noch bis zum 9. Juni 2025 in der Fotostiftung Schweiz
in Winterthur zu sehen.
fotostiftung.ch


 

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